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los. Dasselbe gelte, wie LaBanp ®) richtig ausführe, von testamentarischen An-
ordnungen oder von Stiftungen zu dem Zwecke, um Reichstagsmitgliedern
als solchen Besoldungen oder Entschädigungen zu gewähren. Ausserdem
hätte aber auch der Gesetzgeber mit der Thatsache rechnen dürfen, dass
es eine grosse Anzahl Männer gebe, welche Bedenken tragen, eine mora-
lisch vielleicht nicht unerlaubte Handlung zu begehen, die gesetzlich
verboten sei, und dass namentlich die Mitglieder eines Faktors der Gesetz-
gebung vor einem Verbote des Gesetzes auch ohne Strafandrohung eine
solche Achtung haben, dass sie sich scheuen würden, unter UÜebertretung
des Gesetzes im Parlamente zu erscheinen. Schliesslich wäre auch die Er-
gänzung der lex imperfecta durch eine Bestimmung des damals noch nicht
vorhandenen, aber in nächster Zukunft zu erwartenden Norddeutschen Straf-
gesetzbuchs keinesweges ausgeschlossen gewesen, sofern nur erst das Ver-
bot selbst die Aufnahme in die Verfassungsurkunde gefunden hätte. Diesen
Punkt im Interesse des Öffentlichen Rechts durch Erlass eines generellen
Verbotes zu regeln, dazu sei gerade die Reichsverfassung der richtige Ort
gewesen, wogegen die Festsetzung der Folgen der Verletzung dieses Ver-
botsgesetzes den strafgesetzlichen bezw. civilgesetzlichen Bestimmungen des
Reichs oder der Einzelstaaten überlassen bleiben konnte.
Von ganz ähnlichen Erwägungen ist das den Beklagten DirichLEert
verurtheilende, das Urtheil des Landgerichts in Insterburg abändernde
Erkenntniss des III. Civilsenats des Oberlandesgerichts in Königsberg vom
13. April 1886 getragen, wie nicht minder das Erkenntniss des Kammer-
gerichts in Berlin, Civilsenat II, vom 16. April 1886 in Sachen des Fiskus
gegen den Reichstagsabgeordneten LancHorr.
Entscheidendes Gewicht ist von den erstinstanzlichen Gerichten
auf die parlamentarischen Verhandlungen betreffend den Art. 32
gelegt worden. Sie haben aus diesen Verhandlungen, insbesondere aus zwei
Aeusserungen des Abgeordneten Ruporr v. Bennissen und des Reichskanzlers
Fürsten Bismarck darzulegen versucht, dass man bei Berathung und Annahme
des Art. 32 — Art. 29 des Entwurfs — lediglich an die aus Staatsmit-
teln gezahlten Tagegelder und sonstigen Vergütungen, wie Reisekosten
und dergl., gedacht, dass insbesondere auch der Reichskanzler eine authen-
tische Interpretation dahin abgegeben habe, dass die Regierung nicht ein
Verbot der Entschädigung aus Privatmitteln durch Aufstellung des Art. 32
beabsichtigt habe und auch nicht habe beabsichtigen können. Aus den-
selben parlamentarischen Verhandlungen haben dagegen die Gerichte zweiter
Instanz gefolgert, dass die angegebene Unterscheidung keinen Ausdruck
im Gesetze gefunden und dass jene Verhandlungen auch durchaus keinen
genügenden Anhalt bieten, um interpretationsweise jene Unterscheidung in
das Gesetz hineinzutragen. Am ausführlichsten und objektivsten sind die hier
gemeinten Verhandlungen in dem schon erwähnten Erkenntnisse des Ober-
landesgerichts in Naumburg a. d. Saale gegen HasecLever dargestellt.
*) Staatsrecht Bd. I, S. 576.