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Wir lassen dieselben daher zunächst hier folgen. Dabei wird in dem Er-
kenntnisse mit Recht hervorgehoben, dass als den Grundsätzen des Rechts
widersprechend das Verlangen des Beklagten bezeichnet werden müsse,
Reichstagsabgeordnete oder Regierungsvertreter darüber als Zeugen zu ver-
nehmen, was sie sich bei den im Parlament abgegebenen Erklärungen ge-
dacht haben, welches der Sinn ihrer Reden gewesen, welche Unterhand-
lungen oder Abmachungen zwischen einzelnen Parteigruppen und Bundes-
regierungen ausserhalb der Reichstagsverhandlungen stattgefunden haben
und dergl. Auf alles dieses könne es nach bisher nicht bestrittenen Rechts-
grundsätzen nicht ankommen.
Der Gang der parlamentarischen Verhandlungen nun wird in dem ge-
dachten Urtheile im wesentlichen, wie folgt, geschildert.
Der Entwurf des Wahlgesetzes für den konstituirenden Reichstag des
Norddeutschen Bundes habe eine Bestimmung über den Bezug oder Nicht-
bezug von Diäten oder Reisekosten seitens der Abgeordneten des Reichs-
tages nicht enthalten. Der Abgeordnete SchuzzE u. Gen. hatte beantragt,
zu dem Wahlgesetzentwurf einen Zusatz dahin zu machen: die Mitglieder
des Reichstages erhalten Entschädigung für ihre Reisekosten und Diäten aus
der Staatskasse“ ®). Dieses Amendement wurde aber abgelehnt, nachdem
der Graf v. Bismarck erklärt hatte, dass er zwar grundsätzlich nicht gegen
Diäten sei, dass aber die Fassung des Wahlgesetzentwurfs auf einem Kom-
promiss mit den deutschen Regierungen beruhe und er nicht wünsche, dass
die Frage des deutschen Parlaments an dem Diätenartikel scheitere.
In der Sitzung vom 9. Januar 1867 wurde alsdann von dem Abge-
ordneten Paurr und Genossen ein ähnlicher Gesetzentwurf eingebracht ®),
welcher zwar vom Hause angenommen wurde, aber bei der Weigerung der
Regierung, ihm beizutreten, eine weitere Folge nicht hatte. Aus den
Reden der beiden damaligen Berichterstatter, Graf v. Berkusy-Huc und
v. Hoverßick ist zu konstatiren, dass man darüber einverstanden war, dass
der Wegfall von Diäten eine Beschränkung des allgemeinen Wahlrechts ent-
halten würde, ausserdem wies v. HovErBeck schon damals darauf hin, dass
der Bezug von Diäten aus Parteifonds oder aus den Mitteln
der Wählerschaft seitens der Regierung für unstatthaft er-
achtet würde.
Nach diesen Vorgängen legten nun die Bundesregierungen dem ersten
Reichstage des Norddeutschen Bundes den Entwurf der Reichsverfassung
vor. Der Art. 29 dieses Entwurfs lautet: „Die Mitglieder des Reichs-
tages dürfenalssolchekeineBesoldung oder Entschädigung:
beziehen“. Nach dem Vorbilde des Art. 68, Abs. 2 der preussischen.
Verfassung hätte man die Fassung dahin erwarten sollen: „Die Mitglieder-
des Reichstages erhalten weder aus der Bundeskasse noch aus den Kassen
der Einzelstaaten Reisekosten und Diäten“. Statt dessen sind die weiteren.
Begriffe „Besoldung und Entschädigung“, also jede Art von Re-..
®) Stenograph. Berichte 1867, S. 240.
) Stenograph. Berichte 1866, Bd. III, S. 1427.