Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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muneration, wozu selbstredend auch Tagegelder gehören, gewählt, und es 
ist ausserdem ein Verbot an die Abgeordneten beigefügt. Dem gegen- 
über wurde von dem Abgeordneten WeBEr-Tuünen folgender Abänderungs- 
vorschlag eingebracht: Der Reichstag wolle beschliessen, den Art. 29 zu 
streichen und durch folgende Bestimmung zu ersetzen: „Die Mitglieder des 
Reichstages erhalten aus der Bundeskasse Reisekosten und Diäten nach 
Massgabe des Gesetzes.“ 
In der Sitzung vom 30. März 1867 wurde das Amendement WEBER- 
Tuünen angenommen, wiewohl Graf Bismarck im Namen und Auftrage der 
verbündeten Regierungen die Erklärung abgegeben hatte, dass dieselben 
glaubten, sich auf eine Bewilligung oder Zulassung von Diäten unter keinen 
Umständen einlassen zu können’). Aus den Kreisen der Abgeordneten hatte 
bereits in dieser Sitzung der Abgeordnete Dr. Ret auf die Tragweite des 
Art. 29 des Entwurfes mit den Worten hingewiesen: „Sobald Sie den Besitz 
eines Vermögens für etwaa Nothwendiges erklären zur Wirksamkeit im 
öffentlichen Leben, so zerstören Sie auch das Leben von unzähligen edlen 
Gelehrten unseres Vaterlandes. Ich behaupte, dass Sie durch Streichung 
der Diäten die scheusslichste Aristokratie fördern werden, nämlich die 
Aristokratie des Geldes... In welcher Lage werden Sie sein, wenn Sie 
den Art. 29 annehmen ? Sie werden ein Gesetz geben, das mit der Sitte und 
der öffentlichen Meinung im Widerspruche steht. Sie werden ein Gesetz 
geben, das auch die besten Männer zu umgehen wissen werden. Mittel 
dazu sind natürlich vorhanden; es kann ja begreiflicherweise eine Wähler- 
schaft zusammentreten und sagen: ‚Wir wollen es nicht als eine Entschädi- 
gung geben‘, aber hinterher kann man einem Manne ein Geschenk machen. 
Dagegen lässt sich gesetzlich nichts thun®).“ 
Nachdem nun der Reichstag den Entwurf ganz durchberathen hatte, 
erklärte der Präsident der Bundeskommissarien in der Sitzung vom 15. April 
1867, dass in Betreff der bei weitem grössten Anzahl, von gegen 40 Punkten 
etwa, die Regierungen bereit seien, sich die Beschlüsse des Reichstages an- 
zueignen, sofern es gelinge, über die beiden Punkte, in deren gegenwärtiger 
Fassung die Regierungen ein Hinderniss des Zustandekommens der Verein- 
barung erblicken, eine Verständigung zu erzielen. Es seien dies die beiden 
Punkte: die Sicherstellung der Heereseinrichtungen und die Frage über Be- 
willigung von Diäten. Nach dieser Erklärung des Grafen v. Bismarck waren 
die Mitglieder des Reichstages vor die Alternative gestellt, entweder das 
Scheitern des Zustandekommens der Bundesverfassung auf sich zu nehmen, 
oder aber den Art. 29 des Verfassungsentwurfs so anzunehmen, wie er 
dastand, d. h. mit der Massgabe, dass sein Wortlaut den Bezug jeglicher 
Entschädigung, also auch aus Privatmitteln verbot. Es hätte noch eine 
dritte Möglichkeit sich herstellen lassen, dadurch nämlich, dass der in der 
Sitzung vom 30. März 1867 gestellte Antrag des Abgeordneten Mxver, welcher 
lautete: der Reichstag wolle beschliessen, im Art. 29 nach den Worten: 
’) Stenograph. Berichte $. 474. 
®) Stenograph. Berichte $. 473.
	        
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