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Bundesrathstische begehrt und für wünschenswerth erklärt wurde. Hatte
doch auch der Bundesrath der entgegengesetzten R£#’schen und Schurze'schen
Interpretation des Art. 29 nicht widersprochen, sondern still dazu geschwiegen.
Nun ist allerdings in einer späteren Sitzung bei Berathung des Art. 75
des Verfassungsentwurfs der Abgeordnete Sımon auf die v. BEnnıssen’sche
Aeusserung zurückgekommen und es hat sich daran eine, von dem ersten
Richter als authentische Deklaration des Art. 29 des Entwurfs aufgefasste
Erklärung des Präsidenten der Bundeskommissarien angeschlossen. Der Vor-
gang ist folgender. Der Abgeordnete Sımon bemerkte?) in der Sitzung vom
16. April 1867 bei Berathung des Art. 75, dass, bevor den Tag vorher das
Amendement zu dem Diätenartikel zur Abstimmung gekommen, gesagt
worden sei, der Herr Vorsitzende der Bundeskommissarien beabsichtige ge-
wissermassen eine Reservation für diejenigen abzugeben, die in der Sache
für das Amendement stimmen würden, dahin gehend, dass nach Auffassung
der Regierungen die Worte „dürfen keine Besoldung beziehen“ nicht so
zu verstehen seien, als ob dadurch auch ausgeschlossen sei ausserordentliche
Honorirung, also Honorirungen, welche zusammengebracht werden durch
Vereinigung, durch Association, und welche nicht aus der Bundeskasse ge-
leistet werden.
Nachdem der Präsident des Reichstages den Abgeordneten darauf auf-
merksam gemacht, dass die Diätenfrage längst erledigt sei, antwortete der
Graf v. Bismarck:
„Ich habe in den Verfassungsentwurf nichts hinein
„zu interpretiren, was nicht darin steht, und meines Er-
„achtenssteht esdarinundliegt in der gesammten Lage
„unserer Gesetzgebungen, dass die Regierungen ohne
„eine strafgesetzliche Unterlage nur denen etwas ver-
„bieten können, denen sieüberhauptzubefehlen haben.“
Hierzu ist zu bemerken, sagt das Erkenntniss weiter, erstens, dass
der Präsident der Bundeskommissarien eine, die Regierungen bindende Er-
klärung, dass der Bezug von Privatdiäten unter das Verbot des Art. 29
nicht falle, nur abgeben konnte, wenn bei der Beschlussfassung seitens
der Bundesregierungen über diesen Artikel festgestellt war, dass Eintschä-
digungen aus Privatmitteln nicht mitverboten sein sollten. Zweitens, dass
der Graf v. Bismarck eine Erklärung im Namen und Auftrage der Bundes-
regierungen hier gar nicht abgegeben hat, indem nicht nur der bei einer
solchen Abgabe sonst übliche Eingang „im Namen und Auftrage der Bun-
desregierungen“ nicht gebraucht worden ist, sondern durch die Worte
„meines Erachtens“ klar angedeutet ist, dass es sich hier um eine per-
sönliche Ansicht des Grafen Bismarck und keineswegs um die Mittheilung
einer bei der Beschlussfassung des Art. 29 zu Tage getretenen Ansicht der
verbündeten Regierungen handelte.
Drittens: dass die Erklärung des Grafen v. Bismarck auch sehr wohl
in anderer Weise verstanden werden kann. Lasann !®) z. B. versteht die
14) Stenograph. Berichte $. 727.
18) Staatsrecht des D. R. I, S. 576.