Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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ÄAeusserung so, dass dadurch hervorgehoben werden sollte, dass sich straf- 
rechtliche Folgen an das Verbot des Diätenbezuges nicht anschliessen, 
— dazu fehle es eben an der nothwendigen Unterlage. Es bedarf aber 
eines weiteren Eingehens auf den Sinn der vorstehenden Erklärung des 
Grafen v. Bismarck nicht, da ihr, wiebemerkt, nach ihrer eigenen Fassung die 
autoritative Bedeutung abgeht und da überdies die Abstimmung über Art. 29 
schon bewirkt war, so dass man nicht annehmen kann, diese nachträg- 
liche Bemerkung des Grafen v. Bismarck sei für die Schlussabstimmung 
der Majorität über das ganze Gesetz von massgebendem Einflusse gewesen, 
was übrigens juristisch ohne Bedeutung sein würde, solange dieser innere 
Vorgang nicht einen entsprechenden Ausdruck erhalten hätte. Selbstver- 
ständlich ist der Art. 382 der Verfassung des Norddeutschen Bundes 
mit dem aus dem klaren Wortlaute sich ergebenden Sinne auch in die Ver- 
fassung des Deutschen Reiches übergegangen. 
Hierbei ist aber noch die Thatsache zu erwähnen, dass sich verschie- 
dene Mitglieder des Reichstages und Führer von Fraktionen in den Jahren 
1868— 1870 über den Sinn des Art. 32 in ganz anderer Weise geäussert haben, 
als man nach der v. Bennicsen’schen Rede, falls dieselbe massgebend ge- 
wesen wäre, hätte erwarten sollen, ein Umstand, der für die Interpretation 
des Art. 32 desshalb von Bedeutung ist, weil er die Annahme rechtfertigt, 
dass der Reichstag im Jahre 1871 bei Berathung der Reichsverfassung 
eine redaktionelle Aenderung des Art. 32 der Verfassung des Norddeutschen 
Bundes im Sinne der v. Benniesen’schen Aeusserung vorgenommen haben würde, 
wenn er nicht auch damals wieder, gerade so wie 1867, vor der Alternative 
gestanden hätte, entweder den Art. 32 so, wie er sich aus seinen Worten 
ergibt, anzunehmen, oder das Zustandekommen der Reichsverfassung zu ge- 
fährden. Nicht nur dass v. Bennicsen selbst auf seine Interpretation nie- 
mals wieder zurückgekommen ist, so haben andere Abgeordnete geradezu 
den Art. 32 in dem hier entwickelten Sinne ausgelegt und dieser Auslegung 
unzweifelhaften Ausdruck gegeben. So beispielsweise der Abgeordnete 
Förster.inge im Jahre 1869: „Wenn wir — die sozialdemokratische Partei — 
eintreten wollen für unsere Genossen, so sagt das Gesetz: Besoldung oder 
Entschädigung dürfen die Abgeordneten nicht annehmen“ 1°). Wapeck 1869: 
„das Volk solle genöthigt werden, solche Männer zu wählen, welche die 
Mehrausgabe — eines Abgeordneten — aus eigenen Mitteln leisten können“ !?). 
Aehnlich die Abgeerdneten ScHwEITZER, v. HovERBEcK, Schutze. Nach diesen 
und ähnlichen Aeusserungen im Reichstage in der Zeit von 1868-1870 hätte 
es wohl nahe gelegen, dass man im Jahre 1871 wiederum einen dem früheren 
Amendement des Abgeordneten MEvEr entsprechenden Antrag auf Beschrän- 
kung des Verbots des Diätenbezuges auf öffentliche Mittel eingebracht 
hätte, wenn der Reichstag dies gewollt, bezw. nach Lage der Sache gekonnt 
hätte. Statt dessen ist Art. 32 unverändert angenommen worden. 
16) Stenograph. Berichte 1869, Bd. II, S. 815. 
) A. a. 0.8. 819.
	        
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