Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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So weit das Erkenntnis. — Es wird sodann noch auf die Auslas- 
sungen des Abgeordneten HErıns und des Grafen v. Bismarck in der Sitzung 
des konstituirenden Reichstages vom 30. März 1867 über die Bedeutung des 
Wortes „Entschädigung“ hingewiesen. Allein es muss konstatirt werden, 
dass von Seiten des Grafen v. Bismarck rücksichtlich der Bedeutung des Wortes 
„Entschädigung“ in dieser Sitzung nichts geäussert worden ist. Der Ab- 
geordnete Hrrına andererseits erklärte nur, dass man nach dem Sprachge- 
brauche von Mitteldeutschland unter „Besoldung oder Entschädigung“ nie 
und nimmermehr „Tagegelder“ verstehe. Er habe aber aus dem Munde 
des Bundespräsidenten entnommen, dass die Ausdrücke „Besoldung und Ent- 
schädigung‘ für „Tagegelder und Reisekosten“ gewählt worden seien. Dem- 
nächst sprach er in seiner weiteren Rede nur noch von den „Tagegeldern“ '?). 
Hinzugefügt mag noch werden, dass in der Sitzung des Reichstages vom 
26. März 1873, auf die Andeutung des Abgeordneten WınprHorst, dass durch 
Gewährung der freien Eisenbahnfahrt die Regierung selbst möglicherweise 
gegen Art. 32 verstossen habe, der damalige Präsident des Reichskanzler- 
amts, Dr. Deisrück, erklärte !%): „Das, was nach meiner Ansicht der Verfas- 
sung nicht entsprechen würde, ‘würde das sein, wenn aus der Reichs- 
kasse direkt oder indirekt eine solche Entschädigung gezahlt würde, nicht 
aber, wenn von irgend einer Seite eine Einrichtung getroffen würde, welche 
den Aufwand von Reisekosten für die Herren Abgeordneten beseitigte“. 
Das zweitinstanzliche Erkenntniss des Oberlandesgerichts in 
Königsberg in dem Prozesse gegen DirıcaLET legt den parlamentarischen 
Verhandlungen überhaupt wenig Bedeutung bei. Denn — so führt es aus — 
da sich weder aus dem Wortlaut des Art. 32 noch aus dem Zusammenhange 
desselben mit den übrigen, den Reichstag betreffenden Bestimmungen eine 
Unterscheidung zwischen Zahlungen aus öffentlichen und solchen aus Privat- 
mitteln ergebe, so können die Reichstagsverhandlungen selbst, die nur die 
Meinung einzelner Abgeordneten und Bundeskommissarien wiedergeben, kein 
solches Gewicht haben, dass daraus eine vom Wortlaut abweichende Aus- 
legung des Art. 32 gerechtfertigt wäre. Und die gelegentlichen Bemerkungen 
einzelner Abgeordneten in den Verhandlungen der späteren Jahre seien nur 
Zeugnisse für die Auslegung, welche die betreffenden Redner dem 
einmal bestehenden Gesetze gegeben haben, — Auslegungen, die naturge- 
mäss mehr oder minder von dem Parteistandpunkte des Redners beeinflusst 
Bein - müssten. 
Von den erstinstanzlichen Gerichten ist dagegen, wie gesagt, 
zur Begründung ihrer Ansicht auf die parlamentarischen Verhandlungen, 
insbesondere auf die oben hervorgehobenen Aeusserungen des Abgeordneten 
v. Bennıcsen und des Grafen v. Bismarck sehr entschiedenes Gewicht gelegt 
worden. Das Urtheil des Landgerichts zu Halle a. d. Saale gegen HasencLevEr 
z. B. kommt zu dem Resultate: „Nach dem Gesammtwillen der gesetzgeben- 
den Faktoren soll und darf also, wie aus der Entstehungsgeschichte zur 
Evidenz (!) sich ergibt, mit den im Art. 82 gebrauchten Worten nur die 
18) Stenograph. Berichte 1867, 8. 474. 
19) Stenograph. Berichte 1873, S. 82.
	        
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