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schränkungen sich aus dem unzweifelhaften Grunde jener
Bestimmung oder aus dem sonstigen Inhalte der Gesetze
ergibt. Dieser Grundsatz gilt allgemein auch für Gesetzesbestimmungen,
welche eine Ausnahme normiren.“
Ist diese Ansicht richtig, so ist zunächst zu konstatiren, dass das Ge-
setz selbst — Art. 32 — eine Unterscheidung zwischen „Besoldung“ be-
ziehungsweise „Entschädigung“ aus Staatsmitteln und aus Privat- oder
Parteimitteln nicht gemacht hat. Anlangend aber den Grund und
Zweck des Gesetzes, welchem von den erstinstanzlichen Urtheilen anschei-
nend wenig Beachtung geschenkt worden ist, so steht unzweifelhaft fest,
dass dadurch den Gefahren begegnet werden sollte, welche in dem allge-
meinen direkten Wahlrechte liegen. Diese Gefahren liegen darin, dass aus
solchen allgemeinen direkten Wahlen Abgeordnete hervorgehen können,
welche ihre Sache auf nichts gestellt haben, katilinarische Existenzen, denen
an der Stabilität des Rechtszustandes und an der Befestigung und strengen
Erhaltung der gesetzlichen Ordnung wenig gelegen ist, — Existenzen, welche
nicht die nöthige Garantie dafür bieten, dass sie jeder Zeit bereit sind, der
Regierung die nöthigen Mittel und Vollmachten zu gewähren, um mit der
nöthigen Kraftentfaltung den Frieden im Innern aufrecht erhalten zu können.
Mit Recht wird angenommen, dass der eigene materielle Besitz in höhe-
rem Masse diese Garantien bietet, als Intelligenz und Gelehrsamkeit allein,
und man erwartete, dass aus den direkten Wahlen beidem gegebenen Verbote
des Bezuges von Besoldung und Entschädigung nur solche Männer aus den
Wahlen hervorgehen würden, welche so vielihr Eigenes nennen, dass sie
die Unkosten des Abgeordnetenmandats zum Reichstage zu bestreiten im
Stande sind. Dass dieser Zweck des Gesetzes nicht erreicht wird, wenn der
Abgeordnete die Mittel für die durch das Mandat ihm erwachsenden Un-
kosten von anderer Hand bezahlt erhält, bedarf wohl kaum noch des Be-
weises. Denn dem Abgeordneten, welcher nicht aus „eigener Tasche“ zu
leben im Stande ist, wird es sicherlich sehr gleichgültig sein für die Be-
schaffung seines Unterhalts, ob ihm die Mittel dazu der Staat oder eine
Gesellschaft, oder ein Privatmann gewährt. Und sollte auch die Unab-
hängigkeit des Abgeordneten dabei in Rechnung gezogen werden, so
bedarf es wiederum keines Beweises, dass ein Abgeordneter, der wie alle
anderen ohne Rücksicht auf seine Parteistellung innerhalb des Parlaments
die Diäten als Abgeordneter aus der Kasse des Staates erhält, ungleich
unabhängiger dasteht, als ein Abgeordneter, der von seinen Parteigenossen
bezahlt wird. Hiergegen hat man den Einwand erhoben, dass das allge-
meine Verbot des Art. 32 sich dann auch auf solche Fälle beziehen müsse,
wo ein reicher Onkel oder eine reiche Tante dem Abgeordneten Wohnung
und Unterhalt in Berlin gebe, um ihm die Möglichkeit zu bieten, Abge-
ordneter zum Reiclistage zu werden. Dieser Einwand widerlegt sich da-
durch, dass selbstverständlich nur solche Fälle durch Art. 32 betroffen wer-
den können, welche den oben angegebenen Grund und Zweck des
Gesetzes zu vereiteln im Stande sind, ganz besonders also diejenigen
Fälle, in denen der besitzlose Abgeordnete durch Annahme von Entschädi-
gungen aus Parteifonds sich gleichsam an seine Partei verkauft. Ob frei-