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lich die Absicht des Art. 32 durch das in ihm ausgesprochene Verbot er-
reicht wird, das ist eine ganz andere, hier nicht näher zu untersuchende
Frage. Jedenfalls aber heisst es dem Zwecke des Verbotsgesetzes geradezu
in’s Gesicht schlagen, wenn nur die Beziehung einer Entschädigung aus
Staatsmitteln untersagt sein sollte. Man kann endlich doch auch nicht
behaupten, dass nur die Abgeordneten zum Reichstage von der Regie-
rung unabhängig zu stellen im Interesse des Staates liegt — wenn man
nämlich das Verbotsgesetz des Art. 32 nur auf staatliche Entschädigun-
gen beziehen wollte —, ein gleiches Interesse aber bei den Abgeordneten
zum Landtage nicht obwalte.
Die Gerichte haben bei ihren Entscheidungen ferner noch die mehr
oder minder eingehend untersuchte Frage zu entscheiden gehabt, ob denn,
wenn auch der Art. 32 ein allgemeines Verbotsgesetz enthalte, die be-
treffenden Bestimmungen des preussischen Landrechts —
55 172. 173. 205. 206, Tit. 16, Th. I zur Anwendung zu bringen seien.
Diese Frage ist von dem Landgericht in Breslau in dem Prozesse
gegen Kräker trotz der Abweisung der Klage bejaht worden. Es heisst
hier: „Angenommen, die Verfassung enthielte das vom Kläger behauptete
Verbotsgesetz, so liegt kein Grund vor, das in $$ 172. 173 und $ 205 bei
Geschäften gegen ein Verbotsgesetz dem Fiskus verliehene Rückforderungs-
recht im Geltungsbereiche des Landrechts nicht in Anwendung zu bringen,
wenn auch das Verbotsgesetz in einem jüngeren, aber doch in diesem Be-
reich zweifellos geltenden Gesetze enthalten ist. Es liegt ein Rechtsgeschäft
vor, weil durch die Annahme der Zuwendung ein Vermögensrecht des be-
treffenden Reichstagsabgeordneten begründet wird, und schliesst die in das
Vermögen desselben übergegangene Beihilfe zu seinem Unterhalte eine Ver-
mehrung seines Vermögens, also einen Gewinn in sich. Allerdings würde
der unter gemeinem deutschen Privatrecht oder einem anderen als dem
preussischen Landrecht domizilirende Abgeordnete wegen der in Rede
stehenden Annahme verbotener Zuwendungen ein Entreissen derselben durch
den preussischen Fiskus nicht zu gewärtigen haben und, da ein Rückfor-
derungsrecht seitens des Gebenden ebenfalls ausgeschlossen ist, im ruhigen
Genusse der Unterstützung verbleiben, privatrechtlich mithin wesentlich
günstiger gestellt sein als die anderen Kollegen. Solche Verschiedenheiten
in der Beurtheilung ihrer privatrechtlichen Beziehungen sind aber bis zur
Einheit des Privatrechts in Deutschland nicht alleinstehend und nicht zu
vermeiden.“
Entgegengesetzt dieser Anschauung äussert sich das Landgericht in
Nordhausen dahin: „Selbst wenn Art. 32 ein allgemeines Verbotsgesetz
enthielte, würde der Anspruch des Fiskus auch nach $$ 172. 173 a. a. O.
nicht bestehen können. Der Art. 32 ist eine Satzung des öffentlichen Rechts,
welche die Bundesstaaten bindet und die öffentlich-rechtliche Stellung des Abge-
ordneten betrifft ; schon aus diesem Grunde ist die Anwendung der privat-
rechtlichen Vorschriften des preussischen Landrechts auf Art. 32 prinzipiell
als ausgeschlossen zu erachten; eine diesem entgegenstehende Absicht des Ge-