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Allg. Landrechts auf den vorliegenden Fall Anwendung finden, kann dies
vorweg bei dem letztgenannten Paragraphen verneint werden. Von einem
‚wider die Ehrbarkeit‘ laufenden ‚verwerflichen‘ Zweck kann nicht die
Rede sein, wo es sich um die Ueberschreitung eines nach hartem Kampfe
durchgeführten Verbotes handelt, um ein Verhalten, das in ähnlichen Fällen,
z. B. bei der Annahme von Entschädigungen seitens der Herrenhausmit-
glieder, bei der Annahme der Eisenbahnfreikarten seitens aller Mitglieder
des Reichstages, unbeanstandet geübt ist. — Es kann sich nur noch fragen,
ob es ein Geschäft ist, welches gegen ein ausdrücklich verbotenes Gesetz
läuft oder ein Geben zu einem unerlaubten Zweck verfolgt. Der Ausdruck
‚Geschäft‘ kommt als technischer im Allg. Landrecht nicht vor, wird
vielmehr in verschiedener Bedeutung gebraucht, dasselbe gilt von dem
Ausdruck ‚Zweck‘, und zwar Zweck in der gewöhnlichen Bedeutung des
Wortes.
Nach diesen Auslegungen kann also der Fiskus zurückfordern::
a) Zahlungen auf Grund eines Willensaktes, der zwar auf Bewirkung
eines Rechtsverhältnisses gerichtet, dessen Anerkennung als wirksames
Rechtsgeschäft aber ein ausdrückliches Verbotsgesetz entgegensteht;
b) was in Ermanglung eines solchen vorhergehenden Willensaktes zu
einem unerlaubten Zweck, d. h. zu der gewollten Erreichung eines
“ unerlaubten Erfolges gegeben ist.
Wenn nun das Centralwahlcomite der Fortschrittspartei beschlossen
hat, gewissen Reichstagsabgeordneten eine Summe von mindestens 500 Mark
für jede Reichstagssession als Ersatz baarer Auslagen zuzusichern, und dann
ein einzelner Abgeordneter in Kenntniss dieses Beschlusses, wie sie beim
Beklagten zweifellos vorliegt, die gedachten 500 Mark annimmt, so liegt in
dem Beschluss des Centralwahlcomites und in dessen Anwendung auf den
einzelnen Abgeordneten und der Annahme seitens des letzteren ein Geschäft
im Sinne des $ 172, ein Geschäft, welches dem Verbot des Art. 32 der
R.-Verf zuwiderläuft. Fiskus hat daher das Recht, dem Empfänger den ver-
botenen Gewinn zu entreissen, von dem Beklagten also diejenigen Beiträge
zu fordern, die dieser auf Grund des Beschlusses des Centralwahlcomites
aus dem Diätenfonds seiner Zeit erhalten hat.“
Die Anwendung der preussisch-landrechtlichen Bestimmungen auf die
hier vorliegenden Fälle der Diätenrückforderung scheint den erstinstanzlichen
Gerichten am meisten bedenklich gewesen zu sein. Es schien für sie die An-
nahme ausgeschlossen, dass das Reichs verfassungsrecht dem preussischen
Fiskus die Möglichkeit bieten sollte, sich einseitig zu bereichern. Allein
dieses Bedenken konnte nur entstehen, wenn man das Reichsrecht gewisser-
massen in einen falschen Gegensatz brachte zu dem preussischen Landes-
rechte, wenn man übersah, dass vom preussisch-rechtlichen Standpunkte aus
das Reichsrecht nur ein Theil ist des in Preussen geltenden Gesammtrechtes.
In ähnlicher Weise ist dies der Fall mit den Provinzialrechten, die auch nur
ein Theil des im Staate geltenden Gesammtrechtes sind, beschränkt in ihrer
geographischen Geltung. Freilich ist es ebenso richtig als trivial, dass die
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