Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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lebens zu erschüttern.* Oder ferner S. 728: „Es ist bekannt, dass die an 
dem Mark des Volkes zehrende Krankheit der Syphilis vor allem durch 
geschlechtliche Ausschweifungen ihre weite Verbreitung findet.“ Man kann 
aus demselben Werke lernen, „dass die öffentlichen Tanzbelustigungen häufig 
zur Verführung zur Unzucht, wie auch zur Völlerei und zu Störungen der 
öffentlichen Ruhe und Ordnung Veranlassung geben“; „dass eine im Volke 
verbreitete Spielsucht grosse wirthschaftliche und sittliche Nachtheile mit 
sich führt“; „dass die Geschäfts- und Gewerbsruhe an Feiertagen eine der 
Andacht zugewandte Sammlung des Geistes und eine Erholung von dem 
Druck der täglichen Arbeit gestattet.“ Diese Beispiele können in’s Unend- 
liche vermehrt werden. Wie richtig und geistvoll dies alles ist, soll nicht 
in Zweifel gezogen werden; wohl aber, was dies mit der Rechtswissen- 
schaft zu thun hat, von welcher doch die Verwaltungsrechtswissenschaft 
ein Theil ist. Freilich finden manche darin gerade die vollkommenste Art 
der Behandlung des öffentlichen Rechts, dass der Schwerpunkt nicht auf die 
Entwicklung juristischer Begriffe, die Feststellung ihrer logischen Elemente 
und die Herleitung der aus ihnen zu gewinnenden Konsequenzen gelegt, 
sondern dass der Inhalt der Gesetz- und Verordnungsblätter mit volkswirth- 
schaftlichen, politischen, historischen, technischen Erwägungen und Notizen zu 
einem Gemenge verarbeitet wird. Dadurch’soll die Rechtswissenschaft vor der 
Gefahr eines einseitig logischen Formalismus bewahrt werden. Aber ist die voll- 
ständige Aufzählung sämmtlicher Verwaltungsvorschriften der Welt noch lange 
keine Verwaltungsrechtswissenschaft, sondern nur eine Materialiensammlung 
für dieselbe, so ist die Erörterung der Zwecke und Aufgaben, denen diese 
unzähligen Vorschriften dienen, noch weniger eine solche. Gerade die Ab- 
lösung und Isolirung der juristischen Elemente aus dem Gesammtbilde 
der staatlichen Thätigkeit, die Abhebung der Rechtsinstitute und Rechtsbegriffe 
von der Masse der Beziehungen, welche die Verwaltung darbietet, die Zurück- 
führung der unendlichen und vielgestaltigen Erscheinungen des Lebens auf 
die typischen Formen, in denen ihr rechtlicher Gehalt sich ausprägt, ist 
die Aufgabe der Wissenschaft von dem Verwaltungsrecht. Eine Beschrei- 
bung von allem zu geben, was der Staat thut und wie er es thut, mag der 
Verwaltungslehre überlassen bleiben; das Verwaltungsrecht muss sich be- 
gnügen mit der Analyse und Synthese der bei der Verwaltung des Staates 
zu Tage tretenden Rechtsverhältnisse und der zu ihrer Normirung ge- 
bildeten Rechtsinstitute. 
Von diesem Gesichtspunkte aus ist das Werk von OrTro Mayer ge 
arbeitet. Vergeblich wird man in ihm die in allen unseren Verwaltungs- 
rechtsbüchern wiederkehrenden Abschnitte, wie z. B. Gesundheitswesen, 
Armenpflege, Gewerbewesen, Landwirthschaft u. s. w. suchen, vergeblich die 
strotzende Fülle von Literaturangaben und Citaten über Bank- und Kredit- 
wesen, über Land- und Forstwirthschaft, über Volksschulen und höhere 
Bildungsanstalten u. dgl. Was man aber findet, das ist eine scharfsinnige 
und für das wissenschaftliche Verständniss fruchtbringende Erörterung der 
wenig zahlreichen, aber viel umfassenden und inhaltsvollen Rechtsgestal- 
tungen, welche gleichmässig in den verschiedenen Ressorts der Verwaltung 
wiederkehren, weil sie auf den verschiedenartigsten Thatbestand Anwendung 
finden können. 
Die Verwaltungsrechtssätze (so führt er S. 20 aus) sind zugleich Be- 
urkundungen des wirklichen Lebens des Staats, seiner Zwecke und Be- 
strebungen auf allen öffentlichen Gebieten; sie fügen sich grossentheils mit 
Leichtigkeit in die von der Verwaltungslehre aufgestellten verschiedenen
	        
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