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„Wesen“. Diese Behandlungsweise gibt ihnen eine übersichtliche Gruppirung
und werthvolle Zusammenhänge für die Auslegung ihres Willensinhaltes.
„Verwaltungsrechtswissenschaft ist das nicht.“ „Die Rechtswissen-
schaft hat es nur mit den Formen zu thun, in welchen zwischen den von
ihr beobachteten Rechtssubjekten Willensherrschaft gemäss dem objektiven
Rechte erscheint. Die daraus sich ergebenden festen Arten von Formen in
ihrer Verschiedenheit und ihrem Zusammenhange bilden ihr System.“
Nach dem vom Verf. aufgestellten System zerfällt das Verwaltungs-
recht nur in drei Abschnitte: das Polizeirecht, das Recht der öffentlichen
Anstalten und das Recht des Staatsvermögens. Hierzu kommt als eine die
Verwaltung vorbereitende Staatsthätigkeit die Ordnung der Verwaltungs-
behörden, die demnach den Gegenstand einer besonderen, dem eigentlichen
Verwaltungsrecht vorausgehenden Abtheilung bildet, und andererseits sondert
sich von dem letzteren derjenige Theil der Verwaltung ab, welcher aus dem
unmittelbaren Zusammenhange mit der zentralen Staatsgewalt dadurch
heraustritt, dass er der Selbstverwaltung der Betheiligten überwiesen ist.
Hinsichtlich des ersten, die Behördenordnung betreffenden Ab-
schnittes kann ich mich kurz fassen. Zu prinzipiellen Erörterungen bietet
er zwar auch Anlass; es ist aber nicht möglich, auf alle Punkte hier ein-
zugehen, wenn nicht aus dieser Besprechung ein Buch werden soll. Auch
ist die Darstellung hier mehr wie in anderen Theilen durch die konkreten
Einrichtungen des französischen Staates gebunden. Ausgezeichnet ist dieser
Abschnitt durch die vorzügliche Klarheit und Uebersichtlichkeit, durch die
scharfe Hervorhebung der fest bestimmten Grundlinien, welche für die Be-
hördenordnung Frankreichs massgebend sind. Die Abstufungen der eigent-
lichen Bureaukratie, die Einfügung der Berathungskörper und deren Funk-
tionen und namentlich die Verwaltungsrechtspflege sind in einer Weise
behandelt, dass das Bild nicht durch die Menge der einzelnen Vorschriften
über Organisation, Zuständigkeit und Verfahren überladen und verwirrt wird.
Was insbesondere den interessantesten Punkt dieser Lehre, den Begriff
und die Abgrenzung der Verwaltungsrechtspflege anlangt, so geht der Verf.
von einer Erörterung aus über den Gegensatz zwischen freien und gebun-
denen Verwaltungsakten. Die ersteren sind solche, bei welchen der Behörde
eine freie Willensentschliessung zusteht, z. B. die Entziehung einer Wirth-
schaftserlaubniss, die Anordnung der Entnahme von Strassenmaterial aus
einem Grundstück; während bei den gebundenen Verwaltungsakten der
Inhalt der Entscheidung im Voraus bestimmt ist. „Es muss etwas voraus-
gegangen sein, was eine besondere Verbindlichkeit für die Verwaltung
erzeugt, in bestimmter Weise dem Einzelnen gegenüber zu handeln und
nicht anders. Eine solche Verbindlichkeit kann erzeugt werden auf zweierlei
Art: durch ein Verwaltungsgesetz (oder Verordnung) oder durch ein Rechts-
geschäft der Verwaltungsbehörde* (S. 106). Der gebundene Verwaltungsakt
enthält stets eine Anwendung oder Auslegung des ihn im voraus bestim-
menden. Dies ist das Gebiet der ordentlichen Verwaltungsrechtspflege.
„Dieselbe hat es stets zu thun mit einem vollen Verwaltungsakte, sei es
dass sie seine erstmalige Erzeugung vornimmt (contentieux a priori), sei es
dass sie ihn im Wege der Nachprüfung neu schafft (contentieux a posteriori),
sei es dass sie ihn einfach nochmals in genauerer Ausdrucksweise wieder-
gibt“ (S. 112). Diesem Gebiete gegenüber steht eine zweite Gruppe von
Fällen, in denen ebenfalls die Form der Verwaltungsrechtspflege gegeben
ist, bei welchen aber die sachliche Bedeutung eine andere ist. Sie wird
gebildet von der obersten Ueberwachung der Behördenzuständigkeiten;