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durchgreifend zur Geltung. Der vorliegenden Darstellung kommt das Ver-
dienst zu, das Polizeirecht von diesem Gesichtspunkte aus folgerichtiger
behandelt zu haben, als es in der deutschen Literatur bisher geschehen ist.
Nach einer kurzen Erörterung über das Verhältniss der gerichtlichen und
administrativen Polizei werden die allgemeinen Formen des Polizeibefehls,
die Machtgrenzen desselben und die Polizeistrafe erörtert und daran schliessen
sich unter der Rubrik „Besondere Polizeirechtsinstitute* diejenigen Fälle, in
denen die Polizeigewalt über das im allgemeinen ihr gesetzte Mass hinaus
mit Befugnissen ausgestattet ist, theils wegen einer besonderen Dringlichkeit
der Durchführung von Befehlen, theils wegen eines gesetzlich geschaffenen
Zustandes „verminderter Freiheit“.
Von einem allgemeineren Interesse sind die Ausführungen des Verf. über
die juristische Natur der Polizeiübertretu'ng (contravention) und der
Polizeistrafe. Die Theorie des Verf. gipfelt in dem Satze, dass das
ganze Polizeistrafrecht, obwohl der äusserlichen Erscheinung nach dem
Strafrechte angehörig, sich seinem inneren Wesen nach mehr an die civil-
rechtliche Erzwingung einer nicht erfüllten Obligation anlehne (S. 185).
„Der Polizeibefehl erzeugt für die Betroffenen eine Verbindlichkeit gegen-
über dem Staate, zu thun oder zu unterlassen. Die Nichterfüllung einer
derartigen Obligation würde dieselbe nach Civilrecht in Schadensersatzpflicht
verwandeln; nach Polizeirecht führt sie ganz in dem gleichen Schema
zur Strafe.“ Dieser Gedanke wird durchgeführt in Betreff der Verantwort-
lichkeit, der Entschuldbarkeit der Nichterfüllung, der Haftung für das Thun
und Lassen anderer und andererseits in der Möglichkeit, polizeiliche Ver-
bindlichkeiten anderer zu übernehmen (mit Einwilligung des Gläubigers,
d.h. der Polizeibehörde). „Die Polizeistrafe ist bestimmt, den moralischen
Schaden wieder gut zu machen, den die Nichtbeachtung des Polizeibefehls
verursacht, und insofern wirklich (?) Schadensersatz, welchen die Verwaltung
wegen Nichterfüllung ihrer Forderungsrechte vom Gericht zugesprochen be-
kommt“ (S. 189). Wie weit diese Ausführung dem französischen Recht ent-
sprechend ist, muss ich dahingestellt sein lassen; dass sie weder den Gesetzen
zu Grunde liegt noch in der französischen Literatur Verbreitung hat, ergibt
sich schon daraus, dass der Verf. keine Belege dafür beizubringen vermocht
hat. Der in Deutschland herrschenden Auffassung widerspricht sie zweifellos
und sie ist mit dem deutschen Strafgesetzbuch und den deutschen Landes-
gesetzen (hinsichtlich der im Art. 2 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetz-
buch vorbehaltenen Materien) nicht zu vereinigen. Man sieht an diesem
Beispiel recht deutlich, was es mit der Versicherung des Verf. auf sich hat,
lediglich das französische Recht in deutscher Denkungsweise referiren zu
wollen. Wir haben vielmehr hier eine ganz subjektive Theorie des Verf.
vor uns; seine Ausführungen sind aber immerhin beachtenswerth als ein
Beitrag zur wissenschaftlichen Erkenntniss des Verhältnisses des Polizei-
strafrechts zum gemeinen Strafrecht.
An das Polizeirecht schliesst sich das Recht der öffentlichen
Anstalten ($. 224—376). Der Verf. sagt: „Staatliche Mittel, sächliche
wie persönliche, welche zur Erfüllung je eines gewissen öffentlichen Zweckes
bestimmt und vereinigt sind, bilden je eine Öffentliche Anstalt.“ Es sind
jedoch nicht bloss diese Mittel, welche die Öffentliche Anstalt ausmachen,
sondern es gehören dazu auch diejenigen Einrichtungen, welche erforderlich
sind, damit die öffentlichen Zwecke, denen die Anstalt dienen soll, ver-
wirklicht werden. Die Gesammtheit aller Vermögensstücke und Beamten
.der Postverwaltung bilden für sich allein noch nicht die „Postanstalt“,