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reale Existenz wie die Rechtsfähigkeit der Individuen. Auch die letzteren
haben die Eigenschaft, Personen, d. h. Rechtssubjekte zu sein, vom Recht,
nicht von der Natur, welche überhaupt nicht „Rechtssubjekte“ hervorzu-
bringen vermag. Die Rechtsfähigkeit auch der Individuen ist selbstverständ-
lich sinnlich nicht wahrnehmbar, sondern nur durch den Intellekt
zu erfassen, ist also ebenfalls nur etwas „Gedachtes“, wenn man einen
materialistischen Standpunkt einnimmt. Die Persönlichkeit ist stets eine
juristische, auch wenn sie einen physischen Träger hat. In der
Sphäre des Rechts ist sie aber keine Fiktion, sondern in demselben
Sinne etwas Wirkliches, wie irgend eine andere Rechtsschöpfung. Mit ganz
demselben Rechte wie von der juristischen Persönlichkeit könnte man von
allen Rechtsinstituten ohne Ausnahme sagen, dass sie „Formeln seien, deren
sich die juristische Technik zur Abkürzung der Denkwege zu bedienen
pflegt“ und nicht nur sämmtliche Rechtsbegriffe, sondern auch sämmtliche
konkrete Rechtsverhältnisse sind lediglich etwas „Gedachtes“ , wenn man
nur dasjenige als wirklich existent ansieht, was im physikalischen Sinne
substantiell ist.
Hinter der Persönlichkeit der Selbstverwaltungskörper verschwinden die
Einzelinteressenten; die Rücksicht auf die letzteren ist nur das legislatorische
Motiv zur Schaffung und Anerkennung gewisser Selbstverwaltungskörper.
Die Einzelnen mögen in den Einrichtungen der Selbstverwaltung eine För-
derung ihrer Interessen finden und mit Rücksicht hierauf an der Bildung
der Organe der Selbstverwaltungskörper einen Antheil haben, als Träger
der Rechte und Pflichten, welche dem Selbstverwaltungskörper zustehen,
kommen sie juristisch nicht in Betracht. Der Ausdruck „Vertretung“ wird
ja vielfach in einem unjuristischen Sinne gebraucht; man spricht von dem
Vertreter einer Ansicht, einer Kunstrichtung, eines Lehrfaches, gewisser
Interessen. In diesem Sinne kann man sagen, dass in den Gebilden der
Selbstverwaltung soziale und politische Interessen eine Vertretung finden,
wie man auch sagen kann, dass ein Monarch oder ein Staatsmann oder ein
Parlament die Interessen einer Nation „vertreten“. Aber ein Rechtsver-
hältniss wie Vollmacht oder Auftrag wird dadurch nicht bezeichnet. Der
Verf. dagegen meint, dass die Angelegenheiten der Selbstverwaltung geführt
werden „Namens und im Rechte der Selbstverwaltungsberechtigten, d. h.
einer Gruppe von Staatsangehörigen“ und „dass für sie Vertretungsämter
entstehen, eine neue Art öffentlich-rechtlichen Auftrags, der vom Staate
nicht gegeben, sondern nur geordnet wird im Verfolg seiner mitwirkung-
einräumenden Thätigkeit.“ 8.427 fg. Damit wird meinesErachtens der Erkennt-
niss von der Rechtspersönlichkeit der Selbstverwaltungskörper ihr dogmatischer
Werth geraubt oder: mindestens beeinträchtigt. Wenn es auch richtig wäre,
dass die Rechte des Selbstverwaltungskörpers „nur die Form sind, in welche
das Mitwirkungsrecht der Einzelnen gebracht ist“ (8. 429), so ist doch diese
Form eben juristisch massgebend. Die juristische Form ist die Rechts-
gestalt und auf diese kommt es in der Rechtswissenschaft an, nicht auf ihre
materiellen Zwecke. Es muss jedoch anerkannt werden, dass in den Einzel-
ausführungen dieses Abschnittes die unrichtige Grundauffassung nicht ge-
rade sehr störend sich bemerkbar macht, sondern die juristische Persön-
lichkeit der Selbstverwaltungskörper im allgemeinen richtig festgehalten wird.
Auf die zahlreichen, in dem Werke erörterten Einzelfragen einzugehen,
liegt nicht in der Absicht dieser Besprechung. Nur ein Punkt kann nicht
ganz mit Stillschweigen übergangen werden. Der Verf. hat eine begreif-
liche und entschuldbare Vorliebe für seinen Gegenstand; das französische
Archiv für öffentliches Recht. IT. 1. 11