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gewesen sein würde. Der Hauptgrund aber, wesshalb diese beiden
Länder während der ganzen alten Zeit mit ihrem obligatorischen
Referendum allein standen, besteht darin, dass sie keine Einheits-
staaten, sondern Staatenverbindungen wie die Eidgenossenschaft
selber waren, nur mit dem Unterschied, dass hier die Einzel-
staaten so klein und demokratisch organisirt waren, dass ihre Willens-
erklärung auf dem Wege der Abstimmung eingeholt werden konnte.
Der obere Theil des Wallis, von dem Flusse Morge, der
unterhalb Sitten in die Rhone fällt, aufwärts gerechnet, bestand aus
7 sogenannten „Zehnten“, welche gemeinschaftlich mit dem Bischof
von Sitten den unteren Landestheil, der äusserlich auch in drei
Zehnten abgetheilt war, mittelst Landvögten regierten ”). Die
allgemeinen Landesangelegenheiten wurden theilweis® von einem
Landrathe erledigt, welcher aus dem Bischofe (resp. 2 Domherren
als Vertreter desselben), dem von ihm und den 7 Zehnten ge-
wählten Landeshauptmann und je 4 Boten jedes Zehnt bestand,
andere hingegen wurden durch Circularschreiben an die Zehnten
gebracht, welche der Landeshauptmann mittels bestellter Läufer
von Zehnt zu Zehnt überbringen liess.
Die Resultate der Abstimmung, welche in den einzelnen
Gemeinden geschah, wurden von dem Landeshauptmann und
Öanzler zusammengestellt und die Mehrheit der Zehntstimmen,
welche allein entscheidend waren, da jede Zehnt gleichberechtigt
war, dem nächstfolgenden Landrath als Entscheidung der Sache
mitgetheilt. Eine genaue gesetzliche Unterscheidung dessen, was
als in der Competenz des Landraths liegend angesehen wurde,
von dem, was an die Zehnten auszuschreiben war, bestand
meines Wissens hier so wenig als in dem rhätischen Freistaate,
dagegen hatte der Landrath von Anfang ab eine bedeutendere
?) Die 7 Zehnten selbst waren kleine selbstständige Republiken mit
einem Zehntenrath und Zehntengericht, das in Criminalsachen souverän
ohne Appellation urtheilte.e Von dem Zehntenrath, der aus dem Zehntenmeyer
oder Castellan, Zehntenhauptmann, Bannerherrn, den gewesenen Meyern und
Castellanen und aus zwei Boten jeder zur Zehnt gehörigen Gemeinde bestand,
wurden auch die Beamten der Zehnten und die Boten an dem allgemeinen
Landrath gewählt. Ein Abschied des Landraths fiel durch Verwerfung von
vier Zehnten dahin.