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Stellung und Competenz als die dortigen Bundestage. Diese alte
Verfassung des Wallis hatte dann in der neueren Zeit das
eigenthümliche Geschick, wiederholt beseitigt und wieder ein-
geführt zu werden. Zunächst musste am 30. August 1802 der
Landrath eine Verfassung annehmen, welche das Wallis von der
Schweiz lostrennte und zu einer nominell selbstständigen „rhoda-
nischen Republik“ unter dem gemeinsamen Schutze der französi-
schen, cisalpinischen und helvetischen Republik machte. Diese
von Paris importirte Constitution, die keine andere Absicht hatte,
als das Land, zuerst indirect, nachher direct an Frankreich an-
zuschliessen, um die damals im Bau begriffene Simplonstrasse als
bequemste Militärstrasse von Frankreich nach Italien in franzö-
sischer Hand zu erhalten, hatte natürlich weder Verständniss noch
Vorliebe für die alte Zehntenverfassung, welche die Handhabung
der Autorität Frankreichs nur erschwert haben würde. Die
Zehnten wurden daher zwar als Landeseintheilung beibehalten,
lediglich auf 12 vermehrt, dagegen das Referendum gänzlich be-
seitigt. Der Art. 47 dieser Verfassung sagte einfach: „les lois
decret&es par la Diete sont ex&cutoires pour toute la R&publique
du moment qu’elles sont scell&es et promulguees par le conseil
d’Etat.“ Diese Constitution von 1802 wurde durch ein kaiserliches
Decret vom 14. November 1810 beseitigt und das Wallis war von
dieser Zeit an bis zu den letzten Tagen des Jahres 1813 ein franzö-
sisches Departement ®). Nachdem das Wallis durch den Wiener
Congress der Schweiz wieder zurückgestellt worden war, nahm
dasselbe eine Verfassung vom 12. Mai 1815 an, welche das Land
in 13 Zehnten eintheilte, von denen jede 4 von dem Zehnten-
rath gewählte Abgeordnete in den Landrath zu schicken hatte;
der Bischof hatte sodann im Landrath ebenfalls 4 Stimmen wie
®) Die Motivirung dieses brutalen napoleonischen Decretes in der
Proclamation der Walliser Regierung sagt einfach: „les circonstances poli-
tiques et la position topographique du pays qui decident du sort des peuples
et qui ont change la destinee de tant d’Etats en Europe ont amene la r&eunion
du notre a l’empire francais.“ Das Decret selbst, das im Moniteur erschien,
gibt directer die Simplonstrasse als Einverleibungsgrund an. Dasselbe ist voll-
ständig abgedruckt in dem „politischen Jahrbuch der schweizerischen Eid-
genossenschaft“ von 1886 (pag. 265), das die nähere Erzählung dieser Vor-
gänge enthält.