Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

— 180 7° — 
setzen hatten!)., Aller dieser inländischen und auswärtigen 
Landesherren, worunter also grosser europäischer Mächte, wussten 
sich die freiheitsstolzen rhätischen Gemeinden mit einer Geschick- 
lichkeit und Ausdauer allmählich zu entledigen, beziehungs- 
weise deren an sich ganz berechtigte T'heilnahme an der Politik 
des Landes auf ein blos ökonomisches Verhältniss herunter- 
zudrücken, die ihre würdige geschichtliche Darstellung noch nicht 
gefunden hat, so dass schliesslich auch hier, wie im Wallis, der 
einheimische Staat die Oberhand über alle anderen Gewalten 
erlangte. Wenn man mit unbefangenem Auge den Einfluss 
studiren will, den die beständige Theilnahme an grösseren An- 
gelegenheiten auf Geist und Character eines Volkes ausüben, so 
bietet hiezu die Graubündnerische Geschichte, die leider bisher 
nur in mangelhaften Darstellungen und ohne eigentliche Benützung 
der vorhandenen reichhaltigen Landesarchive besteht, Anlass, 
wobei wir nicht verschweigen wollen, dass es auch hier eine Zeit 
gab, in welcher ein gewisses Streben nach moderner, etwas mehr 
schablonenhafter Staatsordnung die Referendumseinrichtung als 
die eigentliche Quelle aller landesüblichen Unordnung bezeichnete. 
Es gibt eben immer Leute, denen äussere Gleichmässigkeit in 
allen Verhältnissen, gewissermassen ein regelmässiger Kasernen- 
Styl des Staatsgebäudes als das Ideal vorschwebt, nach dem zu 
streben sei, und die für die historischen Ecken und Winkel 
einer aus vielen successiven Entstehungsphasen hervorgegangenen, 
daher etwas alterthümlichen und unregelmässigen, aber dafür wohn- 
lichen und behaglichen Bauart kein rechtes Verständniss haben. 
Die modernen Staatsmänner der anderen Cantone vollends be- 
trachteten viele Jahre hindurch Graubünden mit seinen Staats- 
einrichtungen als eine Art von gesetzlosem Lande (sie konnten 
sich ja dafür schon auf Schiller berufen) und massen alles, 
was dort mangelhaft war oder ihnen wenigstens so erschien, vor- 
zugsweise dem Referendum bei!?). Dass dasselbe hingegen das 
12) Vgl. hierüber Hırry „Vorlesungen über die Politik der Eidgenossen- 
schaft“. Bern 1875. 
18) Einzelne solcher Vorurtheile und fables convenues, z. B. die, dass 
des Referendums wegen keine ordentliche Forstaufsicht in Graubünden be- 
standen habe, kann man noch heute mitunter hören.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.