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präsidium zur Souveränetät begriffen ist und von beiden einzelne
Attribute besitzt. Dass der Kaiser als solcher jetzt schon in
gewissen Beziehungen eine souveräne Stellung einnimmt, dürfte
kaum in Abrede zu stellen sein. Es ist hier nur daran zu er-
innern, dass nach $ 80 Str.G.B. Hochverrath gegen den Kaiser
möglich ist, dass nach $ 484 Str.P.O. und $ 42 des Gesetzes
über dıe Konsulargerichtsbarkeit, soweit eine Strafgerichtsbarkeit
der Reichsgerichte in erster Instanz stattfindet, das Begnadigungs-
recht, nicht etwa bloss die Ausübung desselben, dem Kaiser zu-
steht. Namentlich in den auswärtigen Beziehungen hat der Kaiser
völlig die Stellung eines Souveräns. Die deutschen Schutzgebiete
sind endlich in den amtlichen Erklärungen unter die Oberhoheit
des Kaisers und nicht des Reiches gestellt worden. Wenn nach
$ 1 des Gesetzes vom 17. April 1886 der Kaiser die Schutz-
gewalt in den deutschen Schutzgebieten im Namen des Reiches
ausübt, so steht dies hiermit nicht im Widerspruch. Es bedeutet
nur, dass die Ausübung der Schutzgewalt dem Kaiser als solchen,
also von Reichswegen zusteht. In den deutschen Schutzgebieten
ist daher der Kaiser als Souverän anzusehen.
Wenn man dies auch als feststehend annimmt, so fragt es
sich doch, wem die Ausübung der souveränen Reichsgewalt, die
sich in der Person des Kaisers verkörpert, in den Schutzgebieten
gebührt. Der Reichsgewalt fehlt die Machtfülle anderer Staats-
gewalten. Es sind ihr von den Einzelstaaten nur bestimmte ein-
zelne Souveränetätsrechte übertragen worden. Soweit dies nicht
der Fall, steht dem Reiche kein Recht der Gesetzgebung oder
Verwaltung zu. Da auf das Reich nur einzelne, bisher den
Einzelstaaten gehörige Rechte übergegangen sind, so war es
möglich, in jedem bestimmten Falle eine Anordnung darüber zu
treffen, wem die Ausübung dieser Rechte zustehen solle, dem
Kaiser, dem Bundesrathe oder dem Reichstage oder mehreren
dieser Organe gemeinsam. Es fehlt daher in der Reichsverfassung
eine allgemeine Bestimmung, wonach im Zweifel und soweit nichts
anderes angeordnet ist, die Ausübung der dem Reiche zustehenden
Rechte einem einzelnen Organe der Reichsgewalt gebührt.
Insbesondere besteht eine solche Lücke hinsichtlich der
Schutzgebiete. Art. 4 der Reichsverfassung enthält zwar die An-
ordnung, dass der Beaufsichtigung des Reiches und der Gesetz-
gebung desselben unterliegen die Bestimmungen über die Koloni-