Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

— 1970 — 
bedeutenderen Abstimmungen über die Reformation (1527 und 
1528) die Rathsboten ausdrücklich angehalten, zu sehen „ob 
Jedermann zugegen und Niemand säumig sei“. Die Einwohner 
der Stadt Bern selbst wurden nie angefragt, mit einziger Aus- 
nahme des Reformationsmandats von 1528; sie galten als durch 
die Obrigkeit bereits vertreten. Mit einer praktischen Klugheit 
endlich, die durch unsere jetzigen Begriffe von Rechtsgleichheit 
ausgeschlossen ist, wurden die Landschaften immer erst eine 
geraume Zeit nach ihrer Erwerbung zur Theilnahme an solchen 
Volksentscheiden zugelassen, so dass das Aargau erst nach 60 
Jahren 1475, Waadt nach 28 1564, Aigle 1528, Erlach 1487 
diese politische Mündigkeit erlangte. Es fehlte in Bern nicht 
an Versuchen, diese Volksabstimmung zu einem förmlichen con- 
stitutionellen Rechte der Landschaft zu gestalten und wenn das 
land Kraft und Ausdauer in hinreichendem Maasse besessen 
hätte, um die wiederholten Vereinbarungen darüber mit der aristo- 
kratischen städtischen Obrigkeit aufrecht zu halten, so hätte sich 
die Oligarchie der letzten beiden Jahrhunderte nicht ausbilden 
können, vielmehr würde der Staat Bern (und durch sein Gewicht 
die Eidgenossenschaft) muthmasslich ohne Revolution in die 
constitutionellen Staatsformen unserer Zeit übergegangen sein. 
Im Jahre 1513 wurde zuerst, in Folge von Aufständen nach der 
Schlacht von Novara, zwischen dem Rath und Vertretern des 
Landvolkes in einer l4tägigen Berathung ein Vergleich von 
17 Artikeln zu Stande gebracht, wodurch die Regierung nament- 
lich versprach ohne Zustimmung von Boten von Stadt und Land 
keine Bündnisse mehr einzugehen, in denen auswärtigen Staaten 
Hilfe zugesagt werde. Einige missbeliebte Beamte wurden auf 
Klagen des Landes vom Amte gestossen, und durften ohne 
dessen Bewilligung nicht wieder eingesetzt werden °®). 1531 nach 
dem unglücklichen Kappeler Frieden kamen Ausschüsse der 
Landschaft ungeladen in die Stadt und nach dreitägigem Capitu- 
liren mit ihnen wurde abermals ein Vergleich in 16 Artikeln 
0) Die Akten dieser Sache, namentlich der Originalabschied und die 
schriftlich eingegebenen Klagen des Landvolks fehlen übrigens jetzt im 
Staatsarchiv und ebenso alle Rathsprotokolle vom Juni bis Dezember 1813. 
Es liegt die Vermuthung nalıe, dass sie später absichtlich beseitigt worden sind. 
Archiv für öffentiiches Recht II. 2. 14
	        
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