Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

— 203 — 
Zürich und Bern erscheint demnach dasselbe (sehr verschieden von 
Wallis und Graubünden) bereits wie ein gewährleistetes „Volks- 
recht“ gegenüber einer an und für sich kraft eigenem Rechte 
regierenden aristokratischen Obrigkeit. Diese Auffassung hat 
sich Öfter noch in die Verfassungen unserer heutigen Zeit über- 
tragen, in denen von solchen Regierungen keine Rede mehr, son- 
dern vielmehr die „Volkssouveränität“ eine allgemein anerkannte 
ist. Dessenungeachtet und in vollem Widerspruche mit den grund- 
legenden Ideen unserer Zeit figuriren das Referendum und die 
Initiative noch in den jetzigen Verfassungen der Oantone ziemlich 
allgemein unter dem Titel: „Volksrechte“, als ob es Rechte 
wären, die dem gesammten Volke von irgend Jemand erst ab- 
getreten und zugebilligt werden müssten. Der umgekehrte Stand- 
punkt, wornach das Volk alle politischen Rechte direct ausübt, 
die es nicht durch die Verfassungen an gewisse Organe delegiren 
will, würde den jetzigen republicanisch - demokratischen An- 
schauungen und Einrichtungen besser entsprechen; der Gedanke 
an „Volksrechte“ entspricht lediglich historischen Erinnerungen, 
die sich darin unbewusster Weise noch geltend machen. Es ist 
vielleicht hier für ausländische Leser beizufügen, weil es zum 
von 1795. Eine Art von Tagsatzung im Feld mit Referendum an die militärische 
Landsgemeinde des gesammten Heeres kommt endlich noch in der Kriegs- 
geschichte der Schweiz vor. Bei grösseren Kriegszügen pflegten die 
Orte ihren Hauptleuten auch noch angesehene Rathsglieder mitzugeben, so 
dass eine Tagsatzung im Felde gebildet werden konnte, welche sehr oft über 
die wichtigsten Dinge, Waffenstillstände, Friedensverhandlungen selbstständig 
eintrat und die Abschlüsse (in der Regel an die einzelnen Orte) nach Hause 
berichtete. In manchen Fällen aber nahm das Heer selbst in landsgemeinde- 
artiger Weise diese militärischen Angelegenheiten in eigene Hand. Die 
Schlacht von Marignano (1515) und diejenige von Bicocca (1522) wurden 
z. B. in dieser Weise beschlossen. Interessante Beispiele von solchen „Kriegs- 
gemeinden“ sind die beiden vor Kappel vom Jahre 1529. Damals 
trugen zuerst die Abgeordneten der 5 katholischen Orte und die Vermittler 
in einem von dem Züricherheere gebildeten grossen Viereck ihre Friedens- 
vorschläge vor und sodann ritten am 16. Juni 50 Züricher in das Lager 
der katholischen Orte und hielt Hans Escher seine Rede vor den in 
Stahl gehüllten trotzerfüllten Unterwaldern und übrigen Verbündeten: Prae 
caeteris Sylvanos ita ferro contectos undique ut procul intuentibus non viri, 
sed chalybis massa fulgentissima putarentur. Stetisse omnes leonum in modum 
veluti jamjam proeliaturos*. (Myconius.) 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.