Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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dem französischen Protektorate, indem sie die einheimischen Ge- 
walten als Vasallen des Reichs bestehen lässt, den Europäern 
gegenüber wirkt dagegen die Schutzgewalt unmittelbar gleich 
jeder anderen Staatsgewalt. 
Träger der Reichssouveränetät ist nun für die Schutzgebiete 
der Kaiser. Derselbe vereinigt die volle Staatsgewalt in seiner 
Hand und regiert die Schutzgebiete nach Massgabe des Gesetzes. 
Dem Kaiser steht daher die vollziehende Gewalt zu. Dieselbe 
hat sich geschichtlich entwickelt aus der nach karolingischem 
Staatsrechte bestehenden Befugniss des Königs und des Grafen 
zu gebieten und zu verbieten unter Androhung der Strafe des 
Königs- bezw. Grafenbanns unbeschadet der Lex terrae, wie das 
durch Gewohnheitsrecht feststehende Privat-, Straf- und Prozess- 
recht nach älterem mittelalterlichen Sprachgebrauche genannt 
wurde. Die Lex terrae konnte dagegen durch landesherrliche 
Verordnungen nur abgeändert werden consensu meliorum terrae, 
d.h. in ältester Zeit der bedeutendsten geistlichen und weltlichen 
Würdenträger, später der Reichs- und Landstände. Erst seit 
dem 15. Jahrhundert wird in Deutschland in Folge der über- 
wiegenden Macht der Stände das landesherrliche Recht des Ge- 
bots und Verbots mehr und mehr eingeschränkt, indem auch 
ausserhalb des Gebietes des Privat-, Straf- und Prozessrechts für 
dıe Ausübung der landesherrlichen Hoheitsrechte gesetzliche Nor- 
men gegeben werden, die auch ihrerseits einer Abänderung wieder- 
um nur auf dem Wege der Gesetzgebung unterliegen. 
Letzteres Verhältniss, gegenwärtig in Deutschland das her- 
kömmliche, kann jedoch in den Schutzgebieten nicht Platz greifen. 
Es ist hier mit der Thatsache zu rechnen, dass der ganze Ver- 
waltungsapparat des Mutterlandes, also auch dessen Verwaltungs- 
gesetzgebung auf die unentwickelten volkswirthschaftlichen Ver- 
hältnisse der Schutzgebiete unanwendbar ist. Eine Uebertragung 
des ganzen Rechtszustandes des Mutterlandes auf die Schutz- 
gebiete erscheint desshalb undurchführbar. Vielmehr muss ein 
solcher erst neu geschaffen werden durch den Träger der sou- 
veränen Staatsgewalt, den Kaiser. Es kehrt daher hier der alt- 
germanische Grundsatz wieder, dass dem Kaiser das Recht des 
Gebots und des Verbots zusteht, jedoch unbeschadet des Landes- 
rechts. Wesshalb diese Schranke dem sonst; unumschränkten 
Rechte des Kaisers gegenüber auch in den Kolonien festgehalten
	        
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