Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

— 257 — 
überschreitung und erkennt endlich über die in Gemässheit des 
Art. 443 des code d’instruction criminelle eingelegten Revisions- 
gesuche. Die Entscheidungen des Kassationshofes hatten ur- 
sprünglich für die unteren Gerichte keine bindende Kraft, so 
dass es vorkam, dass der Kassationshof in einer Rechtssache 
mehrmals mit Entscheidung derselben Frage befasst wurde, weil 
das untere Gericht stets bei seiner Ansicht blieb. Nach dem 
Gesetze vom 16. September 1807 trat, wenn der Kassationshof 
in derselben Sache und unter denselben Parteien auf dasselbe 
Rechtsmittel hin die Entscheidung des judex a quo zweimal kassirt 
hatte, nach der zweiten Kassation die authentische Interpretation 
durch die Regierung ein. Nach der neueren Gesetzgebung von 
1837 hat, wenn nach der ersten Kassation die Entscheidung des 
unteren Gerichtshofes wiederum mit dem Kassationsrekurse an- 
gegriffen wird, die Plenarversammlung des Hofs über das Rechts- 
mittel zu erkennen, und ihre Entscheidung ist von dem unteren 
Gerichtshofe zu befolgen. Die Kompetenz des Kassationshofes 
liegt nur auf der rechtlichen Seite, es obliegt ihm nur die Prü- 
fung der Rechtsfrage, das Gebiet der Thatfrage ist ihm gänzlich 
verschlossen. Desshalb entscheidet der Kassationshof niemals, 
weder in Zivil- noch in Strafsachen, in der Sache selbst, au fonds, 
wie man in der französischen Rechtssprache sich auszudrücken 
pflegt, sondern er weist die Sache stets vor ein Gericht der un- 
teren Instanz zurück. Es ist bemerkenswerth, dass keinerlei Aus- 
nahme hiervon besteht, während das Reichsgericht, trotzdem auch 
ihm das Gebiet der thatsächlichen Feststellung verschlossen 
ist, in gewissen Fällen von einer Zurückverweisung absehen 
und in der Sache selbst entscheiden kann. Die Thätigkeit 
des Kassationshofes liegt auf dem Gebiete der Zivil- und Straf- 
rechtspflege. Durch die letztinstanzliche Entscheidung auf dem- 
selben bewahrt er nicht nur die Rechtspflege vor Zerrissenheit und 
Zwiespältigkeit, sondern er übt auch durch sie eine sehr wirksame 
Aufsicht über die Magistratur aus. Die Einheitlichkeit der natio- 
nalen Rechtsübung zu behüten, ist seine Hauptaufgabe. Darum 
ist dem Generalprokurator bei ihm das Recht beigelegt worden, 
in Zivil- und Strafsachen, ohne dass die konkrete Sachentschei- 
dung dadurch geändert würde, zur Wahrung des Rechts den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.