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wie gegen die Erkenntnisse der als Einzelrichter richtenden Mit-
glieder des High court eingelegten Berufungen. Der Supreme
court ist Appellhof auf dem Gebiete der gesammten Zivil-
und Strafjustz. Die Appellation wird mit Rücksicht auf die
Materie, welcher die betreffende Rechtssache angehört, von seinen
einzelnen Abtheilungen entschieden. Hierbei ist von Bedeutung,
dass gegen die Erkenntnisse der Grafschaftsgerichte eine Appellation
in Ansehung der Thatfrage nicht stattfindet, sondern nur bezüg-
lich der Rechtsfrage ?°). Durch diese richterliche Thätigkeit ist
er für die Einheitlichkeit der Judikatur von höchster
Bedeutung, und dass dies in einem Lande wie England von un-
gleich grösserer Wichtigkeit ist, als in Deutschland und Frank-
reich, liegt auf der Hand. Denn da England sich bis auf den
heutigen Tag noch keiner umfassenden Gesetzeskodifikation er-
freut, weder auf zivil- noch auf strafrechtlichem Gebiete, so liegt
die sachgemässe Fortbildung des Rechts, seine Anbequemung und
Anpassung an die modernen Verhältnisse zum guten Theile in den
Händen der Gerichte und thatsächlich beruht auch das common law
des materiellen und prozessualen Rechts in nicht geringem Maasse
auf den Präjudizien des Supreme court. Daneben kompetirt
ıhm ein ausgedehntes und mit intensiven Wirkungen versehenes
Aufsichtsrecht. Er kann writs of mandamus an die unteren
Gerichtshöfe erlassen und sie dadurch zur Erfüllung ihrer Pflichten
anhalten, er kann diese Befehle nicht nur an Gerichte, sondern
auch an andere Staatsbeamte richten. Um sich die strikte Be-
folgung derselben zu sichern, steht ihm eine arbiträre Strafgewalt
zu wegen jeder Verletzung der ihm gebührenden Achtung, wegen
Ungehorsams gegen seine Befehle — contempt of the court
— welche in der Grösse der zu verhängenden Strafe in keiner
Weise beschränkt ist. Die Bedeutung dieser Befugniss ist eine
überaus grosse und ihre Geltendmachung ist schon der Anlass zu
Kompetenzkonflikten gewesen, welche zu der Zeit, als die einzelnen
Abtheilungen des Supreme court noch als selbständige Gerichts-
höfe bestanden, zwischen der Queens bench und dem Parlament
entstanden ?'). Mit seiner Stellung als Oberaufsichtsgericht hängt
2°) FiscHEL, Verfassung Englands S. 217.
1) Fall Hansard, FiscHEL a. a. O. S. 308 u. fg.
Archiv für öffentliches Recht. II. 2. 18