Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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fassungsbaues. Hier ist eine Thatsache gegeben, die sich 
durch kein Raisonnement beseitigen lässt und die logischen recht- 
lichen Konsequenzen dieser Thatsache sind der unverrückbar 
feste Ausgangspunkt für die Interpretation und Konstruktion der 
Verfassung. Sie ist die positive Grundlage für die Unter- 
suchung und Entscheidung der Frage von der staatlichen Natur 
der Union. Geschichtlich und juristisch ist es absolut unzulässig 
von ihr zu abstrahiren bei Prüfung des Sezessionsrechts, d. h. 
bei Prüfung der Frage, ob die Verfassung mit Unrecht ihren 
Namen führt und in Wahrheit nur ein Vertrag ist, den jeder zu 
dem Staatenbunde gehörige Staat nach seinem souveränen. Belieben 
kündigen darf, oder aber, ob die Union ein Bundesstaat mit 
einem für alle seine konstituirenden Glieder unbedingt und bleibend 
verbindlichen Grundgesetz ist. Geschichtliche Thatsachen bilden 
die Grundlage der Verfassung, und wer diese nicht kennt oder 
ausser Acht lässt, wer aus irgend einem Grunde unabhängig von 
ihnen allein aus dem Wortlaut der Verfassung das geltende 
Verfassungsrecht zu ermitteln sucht, muss oft mit seiner Argu- 
mentation in der Luft stehen und zu falschen Ergebnissen kommen. 
Dass nie eine ganz unzweifelhafte Verfassungsbestimmung durch 
Berufung auf eine Thatsache auf den Kopf gestellt werden darf, 
ist selbstverständlich. Wo die Verfassung aber einer Inter- 
pretation bedarf und auch nur ohne Zwang fähig ist, darf die 
Interpretation nie in unschlichtbarem Widerspruch mit den folge- 
richtigen rechtlichen Konsequenzen einer unanfechtbaren That- 
sache stehen, wenn sich ungekünstelt eine andere darbietet, die 
sich im Einklange mit denselben befindet. Das ist es, wogegen 
SCHLIEF sich immer wieder versündigt und darum kann er — 
welchen Werth auch immer seine Ausführungen sonst 
haben mögen — kein verlässiger Führer sein, wenn man bei 
ihm Auskunft über das geltende Verfassungsrecht sucht. 
Der Beweis für diese Behauptung ist an der Hand einzelner 
Beispiele zu erbringen, in deren Erörterung wir die Antwort auf 
die in der Ueberschrift gestellte Frage finden werden. 
Die Thatsache, dass die Verfassung nur für die ratifizı- 
renden Staaten Geltung erlangen sollte, bildet den Ausgangs- 
punkt für die Ermittelung der rechtlichen Natur und Tragweite
	        
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