Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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sein soll...“ Das Volk der Vereinigten Staaten „nennt sich 
als den Urheber der Verfassung, d. h. als den Inhaber der 
staatlichen Vollgewalt, der Souveränetät.® SCHLIEF da- 
gegen schreibt (p. 38. 39) in seinem Buch: „Die Summe der 
Befugnisse, mit welchen jene (die Unionsregierung) und diese (die 
Einzelstaatsregierungen) zusammengenommen ausgestattet sind, 
wenn man so sagen darf, den ganzen Inhalt der Souveränetät 
überhaupt erschöpfen; bei dem ‚Volke‘, als einem Faktor, welcher 
begrifflich von der Unionsregierung oder den Einzelstaatsregie- 
rungen verschieden ist, kann nichts mehr gesucht werden. Der 
ganze Art. X ist in der That nichts als die verfassungsmässige 
Bethätigung einer Anschauung, welche in Amerika und auch ander- 
wärts nicht nur in der grossen Masse sich findet, sondern wunder- 
barerweise auch von der Rechtswissenschaft vielfach ?) vertreten 
wird; danach soll das ‚Volk‘ die Quelle aller Regierungsbefugnisse 
sein.“ Darnach kann man doch wirklich auf den Gedanken kom- 
men, er habe beim Niederschreiben jenes ironischen Satzes in der 
Abhandlung für emen Augenblick sich und mich geradezu ver- 
wechselt. 
Wenn mein Urtheil, das diesen Satz hervorgerufen hat, „ab- 
sprechend“ klingt, so bedauere ich das, aber ich kann nicht um- 
hin, es unbedingt aufrecht zu erhalten. Ich vermag schlechter- 
dings nicht zu verstehen, dass man die Debatten des Philadelphia- 
Konvents soll lesen können, ohne sich zu überzeugen, dass der 
Eingangssatz der Verfassung nicht eime Formel, geschweige 
denn die Nachahmung einer Formel genannt werden darf. Es 
ist in Philadelphia und ebenso in den Ratifikationskonventionen 
lange und viefach mit leidenschaftlicher Erregung über ihn ver- 
handelt worden und alle Redner sind dabei davon ausgegangen, 
dass in ihm die tiefgreifende grundsätzliche Wandelung, welche 
die staatliche Natur und Wesenheit der Union durch die Sub- 
stituirung der Verfassung für die Konföderationsartikel erfuhr, 
sozusagen in nuce ihren rechtskräftigen und rechtsverbindlichen 
Ausdruck finde. Selbstverständlich steht es SCHLIEF frei, seine 
2) In den Ver. Staaten nicht nur vielfach, sondern seit jeher ganz 
ausnahmslos.
	        
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