Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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eigene Ansicht darüber zu haben, ob die „Volkssouveränetät“ 
juristisch zulässig oder unzulässig, begrifflich möglich oder un- 
möglich ist, diese Ansicht zu vertreten und alle logischen Kon- 
sequenzen aus ihr zu ziehen. Allein wie trefllich er auch diese 
Ansicht begründen mag, die Thatsache kann er nicht ändern, 
dass die Pfahlwurzel des geltenden Verfassungsrechts das Prin- 
zip der Volkssouveränetät ist — dass von 1789 an bis auf den 
heutigen Tag kein Gesetz erlassen worden und kein richterliches 
Urtheil ergangen ist, das nicht auf dieser Voraussetzung ruht. 
Er stürzt dieses Fundament des geltenden Verfassungsrechts über 
den Haufen und darum kann der Oberbau, den er auf dem 
selbstkonstruirten Fundament aufführt, in vielen Stücken nicht 
das geltende Verfassungsrecht sein, einerlei wie gut er, ab- 
gesehen davon, vor dem Forum der „Wissenschaft“ bestehen mag. 
Ehe wir den weiteren Konsequenzen dieser Stellung SCHLIEF’S 
zur Volkssouveränetät nachgehen, müssen wir jedoch eine Seite 
seiner Beweisführung in der Preamble-Frage etwas näher in’s 
Auge fassen. Er sagt zunächst, dass meiner Ansicht nach 
„unter ‚dem Volke‘ nicht etwa die Bevölkerung, sondern 
die in Gemässheit der Konstitution organisirte (sesammtheit der 
Bürger verstanden werden müsse“, und fährt dann fort: „das 
ist unstreitig richtig — nachdem die Konstitution ergangen 
ist —; aber eben darum ist das Volk, welches sich in der Preamble 
nennt und als Urheber der Konstitution auftritt, also die ver- 
fassungsmässige Organisation erst schafft, nicht derselbe Faktor, 
welcher nur in dieser Organisation handelnd zu denken ist, denn 
es ist begriftlich nicht zulässig, das Geschöpf mit dem Schöpfer 
zu identificiren. Das Volk der Preamble ist also nicht das ver- 
fassungsmässig organisirte Volk; was es sei, dafür ist gar kein 
Anhalt und damit von selbst die Möglichkeit ?) gegeben, dass 
sich zeitweilig der „Mob“ oder auch ein geschickter Volkstribun 
— 
4) Damit ist nicht die thatsächliche Möglichkeit, die natürlich 
unbestreitbar ist, gemeint, denn die Ausführungen sind gegen mich gerichtet 
und ich sage: „Wenn ScrhuIEr (S. 70) meint, auch der „mob“ könne sich 
mit dem ‚wir, das Volk der Ver. Staaten‘ ‚identificiren‘, so ist das nicht zu 
bestreiten, aber die Verfassung kann dafür nicht verantwortlich gemacht 
werden“
	        
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