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mit der nöthigen Gefolgschaft als Volk im Sinne der Preamble (!)
aufspielt und die Konstitution für aufgehoben erklärt, weil sie
‚dem Volk‘ nicht mehr genehm sei, und offenbar der, welcher
ein Gesetz erlässt, auch zur Beseitigung desselben befugt sein
muss.“
Der zweite Satz fällt mit dem ersten und dieser ist eine
Reihe von Trugschlüssen, die wieder auf die Nichtbeachtung der
maassgebenden geschichtlichen Thatsachen zurückzuführen sind.
Meine Ansicht ist nicht ganz genau wiedergegeben. Ich sage
(p. 28): „Wie die Bevölkerung der Union bei der Verfassungs-
gebung nicht als eine einheitliche Masse, sondern in ihrer histo-
risch gewordenen und zu Recht bestehenden Gliederung und
Organisation in Staaten gehandelt hatte, so“ u. s. w. Das ent-
spricht der geschichtlichen Thatsache und sie hat weittragende
rechtliche Konsequenzen. „Die in Gemässheit der Konstitution
organisirte Gresammtheit der Bürger“ konnte selbstredend nicht
(ie Verfassung geben, aber nicht erst durch die Konstitution ist
ein staatsrechtlich organisirtes Volk der Vereinigten Staaten in’s
Leben getreten. Es bestand schon unter den Konföderations-
artikeln und auch unter diesen, ja seit dem Tage der Unabhängig-
keitserklärung war das grundliegende Prinzip die V olkssouveränetät.
Dieses Volk gab sich jetzt nach seinem souveränen Belieben eine
neue und im eigentlichen Sinne des Wortes wesentlich veränderte
staatsrechtliche Organisation. Von einer lIdentificirung des
Schöpfers mit seinem Geschöpf ist hier also keine Rede, wohl
aber vollzog der Schöpfer durch seinen schaffenden Willensakt
eine Aenderung seiner eigenen rechtlichen Wesenheit. Durch den
Kongress ging der Entwurf des Philadelphia-Konvents an die
Legislaturen der Einzelstaaten und diese beriefen nach völlig
freiem Willensentschluss gemäss Art. VII. des Entwurfes ad hoc
Konventionen zur endgültigen Entscheidung über Annahme oder
Verwerfung. Ich weiss den geschichtlichen Vorgang und seine
rechtlichen Konsequenzen nicht knapper und schärfer zu schildern,
als ich es in & 9 des Staatsrechts gethan. „Das Volk der Ver-
einigten Staaten hat sich allerdings nicht als ein einheitliches
Ganzes handelnd diese Verfassung gegeben. Das Volk, d. h. der
politisch vollrechtige Theil der Bevölkerung jedes Staates handelte