Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

jeder Zeit erweitern, verringern, in jeder Weise — d. h. natür- 
lich nur in den von der Verfassung vorgeschriebenen Formen — 
verändern kann. 
Die gleichen Grundsätze finden natürlich auch auf die Staats- 
regierungen Anwendung. Auch sie sind innerhalb ihrer Wir- 
kungssphäre nicht souverän. SCHLIEF’s Ansicht, dass „die 
Summe der Befugnisse, mit welchen jene (die Unionsregierung) 
und diese (die Einzelstaatsregierungen) zusammengenommen aus- 
gestattet sind, wenn man so sagen darf, den ganzen Inhalt der 
Souveränetät überhaupt erschöpfen“ muss (Buch pp. 38, 39), ist 
daher auch nicht das geltende Verfassungsrecht. Art. X. 
(Amendement) der Bundesverfassung konstatirt das ausdrücklich. 
SCHLIEF aber erklärt: „Rechte, die dieser aus der Bundesregie- 
rung und der Gesammtzahl der Einzelregierungen bestehenden 
Gewalt nicht übertragen sind, lassen sich also gar nicht 
denken“, und daher, behauptet er weiter „haben auch Art. IX. 
und X. ihrerseits keine weitere juristische Bedeutung“. Eine 
zwar bequeme, aber doch eigenthümliche Weise, sich mit dem 
geltenden Verfassungsrecht eines Staates auseinanderzusetzen. 
Zunächst lässt sich SCHLIEF in der Inhaltsangabe des X. Amen- 
dements eine Ungenauigkeit zu Schulden kommen, in der wiederum 
eine Verkennung eines Fundamentalsatzes des geltenden Ver- 
fassungsrechts liegt. Es sei in demselben gesagt, heisst es, „dass 
alle Rechte, welche nicht ausdrücklich der Unionsregierung oder 
den Partikularregierungen übertragen worden sind, ‚dem Volke‘ 
vorbehalten bleiben.“ Der Artikel aber lautet: „The powers not 
delegated to the United States by the constitution, nor prohibited 
by it to the States, are reserved to the States respectively, or 
to the people.“ Eine Uebertragung von Befugnissen durch die 
Bundesverfassung an die Partikularregierungen findet 
überhaupt nicht statt. Um die Befugnisse einer Staatsregierung 
zu ermitteln, muss ausser der Staatsverfassung die Bundesver- 
fassung daraufhin geprüft werden, was in ihr ausdrücklich den 
Staaten untersagt ist und weiter was dadurch als von ihr den 
Staaten verboten anzusehen ist, dass die Ausübung der fraglichen 
Befugniss durch eine Partikularregierung für unvereinbar mit 
einer der Bundesregierung verliehenen DBefugniss erscheint. 
Archiv für öffentliches Recht. II. 2. 19
	        
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