Staats- und verwaltungsrechtliche Streitfragen.
Von
M. pe Jong ın Köln a. Rh.
1. Etatsüberschreitung und Indemnitätsertheilung.
(femäss Urtheil des Reichsgerichts (IV. Civilsenat) vom 9. April 1885 !)
bewirkt die vom preussischen Landtag ertheilte nachträgliche Genehmigung
zu einer Etatsüberschreitung, welche durch die unberechtigte Handlung eines
regresspflichtigen Beamten verursacht worden ist, nur die Indemnität
der Minister, nicht aber die Befreiung jenes Beamten von seiner
Ersatzpflicht?). Wir halten diesen vom Reichsgericht aufgestellten Rechts-
satz, den es in längerer Beweisführung zu begründen versucht, für falsch,
behaupten vielmehr, dass die Indemnitätsertheilung nicht blos die Verant-
wortlichkeit der Minister, sondern auch die Ersatzverbindlichkeit des etats-
überschreitenden Beamten aufhebt. Zum Beweise dessen gilt es vor allem,
die juristische Natur der einzelnen Elemente, aus denen der Rechtsfall sich
zusammensetzt und in deren Verbindung und Komplikation die Schwierigkeit
seiner Entscheidung begründet liegt, zu erkennen, sie selbständig und ge-
sondert zu untersuchen; erst dann kann der Rechtsfall im Ganzen entschieden
werden.
1) Das Etatsgesetz. Es ist verfassungsmässiger Grundsatz des Finanz-
recht’s, dass alle schuldenbegründenden Rechtsgeschäfte der Staatsorgane der
Vollmacht des Staates, wie er in König und Volksvertretung sich darstellt,
bedürfen. Diese Vollmachten können in Form eines speciellen, selbständigen
Gesetzes (Vollmacht zur Aufnahme einer Anleihe, Abschluss eines Kaufver-
trags u. s. w.) erscheinen oder sie können als eine ganze Summe von
solchen vereinigt durch ein alle umfassendes Gesetz — das
Etatsgesetz — ertheilt werden. Das ist, wie uns scheint, die einzig
mögliche juristische Konstruktion des Etatsgesetzes. Das Etatsgesetz ist ein
formelles Gesetz, kein materielles: inhaltlich stellt es keinen Rechtssatz auf
) Vgl. E. d. R.-G. XII. S. 258 fgg.
....® Vgl. den konkreten Thatbestand in der angeführten E.: es handelte
sich um Ausführung eines Baues durch einen Baubeamten,