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identische Vollmachtsverhältniss, das nur nach der passiven Seite sein Subjekt
gewechselt hat, dessen Grundlage und Norm demnach das Etatsgesetz bildet.
2) Die Etatsüberschreitung. Die Etatsüberschreitung ist, wenn sie nicht
blos objektiv eine solche darstellt, sondern eine subjektiv gewollte und ver-
schuldete ist, so dass sie eine schuldhafte Mandatsverletzung enthält, eine
rechtswidrige Handlung, ein Delikt°®). Die Etatsüberschreitung ist ein fort-
gesetztes Delikt, wenn es durch mehrere successive sich zur Gesammthandlung
verbindende Einzelakte ausgeführt wird. Sie ist ein Delikt, das, wenn nicht
noch andere Momente hinzutreten (Schädigungsabsicht u. ä.), keine straf-
rechtlichen, sondern nur civil- und verwaltungsrechtliche Folgen bewirkt. Sie
ist ein Delikt, dessen Subjekt nur ein Staatsbeamter sein kann, nur ein
solcher kann es begehen. Die Etatsüberschreitung ist — gleich allen Etats-
verletzungen, von denen sie eine Unterart bildet — ein meist strafloses
Amtsdelikt. Von dieser juristischen Konstruktion der Etatsüberschreitung
muss eine grundsätzliche Entscheidung der zu lösenden Rechtsfrage mit
Nothwendigkeit ausgehen. Subjekte der Etatsüberschreitung können nun
einer oder mehrere, einander coordinirte oder subordinirte Staatsbeamte sein.
Mehrere coordinirte, wenn ihnen ein gemeinschaftliches Mandat ertheilt ist,
subordinirte dann, wenn ein höherer Beamter (z. B. Minister) einem unter-
geordneten und dieser vielleicht wieder einem untergeordneten den Abschluss
eines etatswidrigen Rechtsgeschäfts aufträgt und dieser demgemäss handelt:
jener ist dann intellektuell&r Urheber, dieser physischer, jener Anstifter,
dieser Thäter. Sie haften civilrechtlich als Solidarschuldner; wenn zugleich
ein strafbares Amtsdelikt vorliegt, strafrechtlich als Theilnehmer. Wird
dagegen die Etatsüberschreitung, wie im vorliegenden Falle, nur von einem
einzigen Staatsbeamten, ohne hierzu durch höheren Befehl veranlasst zu sein,
aus dessen eigener Initiative begangen, so ist er das alleinige Subjekt der
begangenen rechtswidrigen Handlung, er der allein verantwortliche und
haftbare Thäter. Eine Verantwortlichkeit des Ministers ist mangels einer
Schuld, da weder Vorsatz, noch Fahrlässigkeit in der Auswahl des betreffenden
Beamten vorliegt, ebensowenig begründet, wie für irgend eine andere rechts-
widrige Handlung von Unterbeamten der schuldlose Minister verantwortlich
ist®). Schon hieraus würde sich ergeben, dass die Indemnitätsertheilung die
5) Ueber den Begriff des Delikts im Gegensatz zum Verbrechen vgl.
Bmpme, Normen, insbes. II. S. 463. Durch diesen Unterscheidungsgedanken,
der andererseits die Begriffe Delikt und Verbrechen unter dem gemeinsamen
höheren Begriff der schuldhaften rechtswidrigen Handlung vereinigt, ist der
Rechtswissenschaft die Möglichkeit eröffnet worden, auch die nicht strafbare
rechtswidrige Handlung mit Hülfe bezw. durch Erweiterung der — keines-
wegs specifisch strafrechtlichen — Kategorien der deliktischen Schuld, Theil-
nahme, Handlungsfähigkeit u. s. w. juristisch zu erkennen, wie dies für den
vorliegenden Fall im Folgenden versucht ist.
©) Aehnlich bemerkt Lasanp, St.-R. III. S. 356: „Nur soweit die
Etatsüberschreitung auf dem Willen der Regierung beruht. ... hat die
Etatsüberschreitung den Charakter einer Handlung, für welche die Regierung
die Verantwortlichkeit trägt . . . .“