Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

— 305 — 
die absolute Majorität erreicht; die anderen Kandidaten hatten sie nicht 
erreicht — ein Fall, der ja mit dem Princip der relativen Untheilbarkeit 
wohl vereinbar ist — und war deshalb eine Stichwahl in Gemässheit des 
8 25 der Rhein. St.-O. zwischen ihnen anzuordnen. 
Es muss zugegeben werden, dass die dieser Entscheidung zu Grunde 
liegende juristische Konstruktion eine keineswegs einfache und durchsichtige 
ist, keineswegs den „Gesetzen der juristischen Schönheit“ entspricht. Allein, 
dürften wir es überhaupt wagen, auf unseren bescheidenen Konstruktions- 
versuch jene Gesetze der juristischen Konstruktion, wie sie der grosse Meister 
der deutschen Jurisprudenz zuerst erkannt und zu klassischer Darstellung 
gebracht hat !!'), anzuwenden, so würden wir uns der Erfüllung eines und zwar 
des ersten und wichtigsten jener Gesetze voll bewusst sein: des „Gesetzes 
der Deckung des positiven Stoff’s“. Wir würden dies nicht betonen, wenn 
nicht die Möglichkeit dieser Deckung bestritten und von maassgebender 
Stelle die Ausfüllung einer Lücke im positiven Recht begehrt worden wäre, 
welche unter der Arbeit der Rechtswissenschaft verschwindet. 
d. „Titulus patrimonii“ und „titulus mensae“ im preussischen Staatsreoht. 
Die Voraussetzungen der Anstellung im preussischen Staatsdienst wurden 
früher für alle Staatsämter durch den Nachweis moralischer und intellektueller 
Betähigung erfüllt; bestimmt geartete Rechtsverhältnisse, familienrechtliche, 
vermögensrechtliche u. a., waren für die Anstellung nicht erforderlich: in 
dieser Richtung war sie vollständig voraussetzungslos.. Eine Aenderung 
dieses Rechtszustandes ist für eine mehrere Tausende umfassende Klasse von 
Staatsbeamten durch die Justizministerialverfügung vom 5. Mai 1883 hewirkt 
worden, welche im $ 14 als Voraussetzung der Anstellung als Referendar 
„den überzeugenden Nachweis, dass dem sich Meldenden tür die Dauer von 
fünf Jahren die zum standesgemässen Unterhalt erforderlichen Mittel gesichert 
sind“ erfordert. Die verfassungsmässige Zulässigkeit und Rechtsgültigkeit 
dieser Norm soll hier nicht geprüft werden: es bedarf dessen um so weniger, 
als durch Anerkennung ihrer Rechtsgültigkeit seitens der gesetzgebenden 
Faktoren und ununterbrochene mehrjährige Anwendung ihre Geltungskraft 
fest begründet und über allen Zweifel erhoben ist. Sie ist uns eine gegebene 
rechtliche Thatsache, die als solche nur Objekt der juristischen Konstruktion ist. 
Der Gedanke, Vermögensrechtsverhältnisse zur Voraussetzung des 
Amtserwerbes zu erheben, hat im Kirchenrecht zur Ausbildung der sogenannten 
Ordinationstitel geführt. Neben dem ursprünglich allein zulässigen titulus 
beneficii bildete sich als subsidiärer Titel der sogen. titulus patrimonii, welcher 
in bestimmt gearteten Vermögensrechten des ordinandus bestand, und in 
der Praxis der titulus mensae (Tischtitel), welcher auf dem gehörig beurkun- 
deten und verbürgten Versprechen eines Dritten, dass er den Unterhalt des 
Geweihten übernehme, beruhte !2). 
  
1) Vgl. Inerme, Geist des R.-R. $ 4 
1“) Vgl. Richter, Kirchenrecht (3. 2 8 9.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.