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es überhaupt keine Stütze. Aber nicht blos zu eng und schmal ist die
Basis, auf die es den neuen titulus mensae gründet, sie ist auch für den
gegebenen Umfang unhaltbar. Dass die Erwerbsunfähigkeit des Sohnes „un-
verschuldet“ entstanden, ist juristisch falsch. Denn ein Zustand, der durch
die freie That und bewusste Handlung des Handelnden begründet worden
ist, ist von diesem „verschuldet“. Selbstverständlich besitzt der Begriff „ver-
schuldet* bezw. „Schuld“ hier keine kriminalrechtliche Bedeutung — ist
doch die verschuldete Erwerbsunfähigkeit in den wenigsten Fällen Delikts-
folge — sondern lediglich jene allgemeine juristische, die er stets besitzt,
wo die „eigene Schuld* einen Ausschliessungsgrund für Ansprüche gegen
Dritte bildet. Es bedeutet das „Verschulden“ in diesem Zusammenhang, dass
die „verschuldeten* 'Thatsachen oder persönlichen Zustände gewollt, sei es
vorsätzlich, sei es fahrlässig gewollt sind, dass sie durch den Willen, die
Handlung dessen, den das „Verschulden“ trifft, bewirkt und verursacht sind,
nicht durch unglückliche Ereignisse. Derjenige nun, der freiwillig, kraft
Rechtsgeschäfts, nicht etwa gezwungen, wie der Soldat, dessen Erwerbs-
unfähigkeit demnach allerdings eine unverschuldete ist, sondern durch einen
Akt freier Berufswahl in einen Staatsdienst eintritt, der an sich ertraglos
ist und desshalb Erwerbsunfähigkeit bewirkt, der hat diese Erwerbsunfähig-
keit ebenso gewollt, wie das begründete Staatsdienerverhältniss selbst, mit
dem jene nothwendig verbunden ist; er hat beide Folgen seiner Handlung
— des Eintritts in diesen Staatsdienst — bewirkt und herbeigeführt, er hat
sie verschuldet, d. h. er hat sie gewollt und zwar hier vorsätzlich gewollt.
Auch nicht in Verbindung mit der Genehmigung des freigewählten Berufes
seitens des Vaters vermag die durch seinen Willen und seine eigene Hand-
lung bewirkte Erwerbsunfähigkeit des Sohnes eine Unterhaltspflicht des
Vaters zu begründen. Allerdings ist der Vater an die ertheilte Berufs-
genehmigung, deren es wegen Minderjährigkeit oder väterlicher Gewalt bedarf,
wofern er auf sein einseitiges Berufsbestimmungsrecht verzichtet, wie an
einen zweiseitigen Vertrag gebunden, so dass er sie nicht willkürlich wider-
rufen kann. Allein die Berufsgenehmigung, so intensiv auch ihre Wirkung
und Verpflichtungskraft unzweifelhaft ist, erstreckt sich extensiv nicht über
ihr Objekt hinaus, und begründet ebensowenig eine davon ganz verschiedene
Unterhaltspflicht, wie die Heirathseinwilligung an sich eine Dotationspflicht
oder die Einwilligung zur Auswanderung eine Pflicht zur Erstattung der
Auswanderungskosten bewirkt. Solche vormundschaftliche Genehmigung
hat zum Gegenstand lediglich die vom Sohn vorzunehmende Handlung,
gleichviel ob privatrechtlicher oder Öffentlichrechtlicher Natur, ohne jedoch
irgend welche vermögensrechtliche Verpflichtung zur Erstattung der durch
jene Handlungen bewirkten Kosten zu begründen. Weder die Genehmigung
des Berufs bezw. des Eintritts in das Referendariatsamt an sich, noch die vom
Sohn gewollte und verschuldete Erwerbsunfähigkeit, noch diese beiden Um-
stände verbunden, vermögen eine Unterhaltspflicht des Vaters zu begründen.
Vielmehr beruht der neue titulus mensae auf einer anderen, festeren