Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

— 316 — 
hung einer Gewalt innerhalb ihrer Sphäre unter irgend einen andern 
Willen liege, dass damit aber über den Umfang der Gewaltsphäre noch 
Nichts entschieden sei. Das Postulat der Souveränetät beziehe sich nur auf 
das Verhältniss des Staates zu den einzelnen Menschen und zu den nicht- 
staatlichen Korporationen, enthalte aber keine Aussage über das Verhältniss 
der einzelnen konkreten Staaten zu einander. Dies ist m. E. unrichtig. 
Gerade im Verhältniss zu den Unterthanen kommt die Eigenschaft der Sou- 
veränetät gar nicht in Betracht, sondern nur im Verhältniss zu Staaten; 
denn sie sagt nicht aus, was und wem die Staatsgewalt befehlen kann, son- 
dern dass sie Niemandem zu gehorchen braucht, dass es keine höhere 
Gewalt über ihr giebt; sie kehrt sich also nicht nach Unten, sondern nach 
Oben. Wird aber dadurch eine höhere Gewalt negirt, so wird dadurch auch 
die Möglichkeit ausgeschlossen, dass Umfang und Inhalt der souveränen Ge- 
walt von einer ausser ihr stehenden Macht mit rechtsverbindlicher Kraft 
festgesetzt werden kann. Wie weit eine souveräne Gewalt ihre Sphäre 
ausdehnt, kann nur von ihrem eigenen Willen abhängen, d. h. diese Sphäre 
ist ideell unbeschränkt. Die Souveränetät ist eine Eigenschaft absoluten 
Charakters, die einer konkreten Staatsgewalt entweder zukömmt oder 
fehlt, aber nicht theilweise oder relativ zukommen kann und daher auch 
nicht auf eine gewisse Sphäre beschränkt sein kann. Souverän ist ein 
Superlativ. 
Meiner Ansicht nach ist aber auch dasjenige, was der Verfasser beibringt, 
um die Herrschaft des Staatenbundes über seine Mitglieder, also die staats- 
rechtliche Persönlichkeit desselben zu erweisen, nicht stichhaltig. Dass dauernd 
zu Schutz und Trutz verbundene Staaten eine politische Gesammtmacht bilden, 
dass sie unter gemeinschaftlichem Namen nach Aussen handeln und gemein- 
schaftliche Bevollmächtigte ernennen, dass sie unter sich die Verbindlichkeit 
verfassungsmässiger Majoritätsbeschlüsse vereinbaren und dieselbe von dem Er- 
fordernisse der Ratifikation befreien, ist mit dem societätsartigen Charakter ihres 
Verhältnisses vollkommen vereinbar. Das Majoritätsprinzip ist zwar ein wesent- 
liches Kriterium für den korporativen Charakter einer Personenvereinigung in 
dem Sinne, dass überall da, wo es gänzlich fehlt, die Annahme einer korporativen 
Verfassung ausgeschlossen ist, aber nicht in dem Sinne, dass überall da, wo 
Majoritätsbeschlüsse zulässig sind, auch der korporative Charakter der Ver- 
einigung damit erwiesen sei. Es gibt vielmehr zahllose Gesellschaften aller 
Arten und mit den verschiedensten Zwecken, bei welchen die Gesellschafter 
sich Mehrheitsbeschlüssen unterwerfen. Auch das Recht und die Pflicht, 
Mitglieder, welche ihre Societätspflichten nicht erfüllen, mit dem vom Recht 
gestatteten Mitteln dazu anzuhalten, widerspricht dem Begriff der Societät 
nicht; die sog. Bundesexekution ist daher mit der Auffassung des Staaten- 
bundes als einer völkerrechtlichen Societät recht wohl vereinbar. Sind die 
Mitglieder des Staatenbundes souverän, so ist damit ihre Unterordnung unter 
eine Herrschaft ausgeschlossen und es bleibt für ihre Association keine an- 
dere Rechtsform übrig als die der völkerrechtlichen Societät. Steht aber 
dem Bunde als solchem über seine Mitglieder eine Herrschaft zu, so ist 
ihm damit der rechtliche Charakter des Staates beigelegt und es verschwin- 
det dann das unterscheidende Merkmal zwischen Staatenbund und Bundes- 
staat. 
Was nun die vom Verfasser gegebene Entwickelung des Begriffes
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.