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Führer ın ein ebenso wichtiges als interessantes Gebiet willkommen geheissen
worden, sondern zugleich dem Forscher und Gelehrten vielfach Anregung
und Belehrung bieten. Continentale Juristen sind nicht selten geneigt, an-
zunehmen, dass Mängel, welche den Erzeugnissen der englischen Rechts-
literatur anzuhaften scheinen, bei Anwendung einer gewissen Theorie hätten
vermieden werden können; bei genauer Betrachtung aber dürfte sich gewöhn-
lich zeigen, dass die in Frage stehende Theorie, so wie sie ist, nicht ange-
nommen werden kann, weil sie auf den englischen Rechtszustand nicht oder
doch nicht vollkommen passt. So nöthigt denn die uns so nahe liegende
Anpassung der uns gewohnten Begriffe und Eintheilungen beständig zur Er-
fassung und Durchdringung des fremden Rechtsstoffes und folgeweise zur
Correctur der eigenen uns überlieferten Anschauung. Diese Thätigkeit aber
ist um so fruchtbringender als uns im englischen Rechte das System eines
hocheivilisirten Volkes entgegentritt, welches im Gegensatz zu den unter
Einfluss des römischen Rechts stehenden continentalen Ländern und ihrer De-
pendenzen von einem durchaus eigenartigen Geiste durchdrungen ist, zugleich
aber in Ansehung seiner ungeheueren territorialen Ausdehnung keineswegs
an Bedeutung dem Einflusse, den das römische Recht gewonnen hat, nach-
steht !).
Oxford. Erwin Grueber.
Attilio Brunialtiz Le forme di governo, Torino 1886.
Die vorbezeichnete Schrift bildet die Einleitung zum zweiten Bande
der in Turin erscheinenden Biblioteca di Scienze politiche. Dieselbe zerfällt
in drei Abschnitte:
Der erste Abschnitt gewährt einen umfassenden Ueberblick über
die Theorien, welche seit Plato und Aristoteles hinsichtlich der Eintheilung
und Unterscheidung der Staatsformen aufgestellt worden sind. Vorzugsweise
Berücksichtigung haben naturgemäss die italienischen Publizisten gefunden.
Jedoch wird auch die französische, spanische, englische und namentlich die
deutsche Literatur (HEREN, SCHLEIERMACHER, BLUNTSCHLI, STEIN, GNEIST und
GAREIS) in eingehender Weise besprochen.
Der zweite Abschnitt enthält die wissenschaftliche Analyse der forme
di governo. Vorausgeschickt wird eine allgemeine Betrachtung über le forme
e le forze politiche. Die Regierung, so wird bemerkt, ist der zur Leitung des
Staats berufene Theil desselben, und sie kann verschiedene Formen annehmen
je nach der Beschaffenheit und Zahl der Organe, nach der Aktion, welche die
Organe auf die Unterthanen und hinwiederum diese auf jene ausüben, sowie nach
der Beschaffenheit der unter ihnen wirksamen und sie beherrschenden Kräfte.
Die Souveränetät ist die höchste bestimmende Macht, welche auf den staatlichen
Organismus gemäss der Natur und den Zwecken desselben einwirkt, und
ruht in letzter Linie überall bei der Nation...... Um zu einer möglichst voll-
ständigen Uebersicht der mannigfachen forme di governo zu gelangen, müssen
wir daher, unter Berücksichtigung der durch die Wissenschaft gewonnenen
1) Siehe meine Anzeige von PorLock’s Inauguralvorlesung in der krit.
V.-J.-Schr. N. f. Bd. VOL, 8. 451—453,