Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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Folgezeit nach und nach die Details zu prüfen. Indem aber über grosse 
Partien eines solchen Werks ein Urtheil gefällt wird, wird dasselbe oft 
Gefahr laufen, entweder ungerechtfertigt absprechend oder oberflächlich 
lobend zu erscheinen. 
Der erste Band enthält zunächst eine auf eingehendes Quellenstudium 
basirte Geschichte der staatsrechtlichen Verhältnisse Bayerns bis gegen Ende 
des vorigen Jahrhunderts, hierauf die detaillirte und interessante Darstellung 
des Uebergangs des deutschen Territorialstaates durch die Wirren der 
Rheinbundszeit hindurch in einen modernen constitutionellen Staat. Nament- 
lich die Entwickelung des Verwaltungsorganismus ist in belehrender Weise 
gezeichnet. Mit diesen beiden Kapiteln schliesst die Einleitung. Eine 
Uebersicht der Literatur des bayerischen Staatsrechts wäre wohl vor dem 
Beginne der dogmatischen Untersuchungen am Platze gewesen. 
In seinen Anschauungen über die Grundbegriffe des Staatsrechts, die 
er den einzelnen Partien seines Werks voranschickt, ist SEYDEL trotz aller 
gewichtigen Bedenken, welche ihm entgegengehalten worden sind, den Sätzen 
treu geblieben, die er vor mehr als einem Decennium in seinen Grundzügen 
einer allgemeinen Staatslehre niedergelegt hat. Der Staat ist ihm kein 
Subjekt, sondern ein Herrschaftsobjekt. Subjekt dieser Herrschaft ist der 
über dem Staate stehende Herrscher. Es ist zu verwundern, dass einem so 
scharfen Denker wie SEYDEL der tiefe Widerspruch entgangen ist, der in 
einer solchen Staatsauffassung liegt: der Staat entsteht erst durch den 
Herrscher, und doch soll dieser Herrscher, ohne den der Staat gar nicht 
gedacht werden kann, ausserhalb des Staates stehen. Der Herrscher steht 
über dem Rechte und doch soll ein öffentliches Recht für ihn gelten. Der 
Herrscher ist um des Staates willen da und doch soll er kein Organ der 
staatlichen Gemeinschaft sein. All das, weil die Auffassung des Staates als 
Persönlichkeit Fiktion sei. Eine eingehendere Untersuchung hätte SEYDEL 
vielleicht gelehrt, dass der Begriff der Persönlichkeit überall ein blosses 
Gedankending sei, ein nicht in der Wirklichkeit gegebenes ideelles Band, 
welches eine Reihe von Erscheinungen des Rechtslebens zur Einheit verbindet. 
Die Persönlichkeit des Individuums ist auch „fingirt“, sie ist kein Element 
des isolirten Menschen, sondern besteht nur in den Beziehungen der Individuen 
unter einander. Sie ist erkenntnisstheoretisch keine Substanz, sondern eine 
Relation. Aber auch die Relationen haben „Wirklichkeit“, sie sind ebenso 
sehr oder ebenso wenig Fiktionen wie die ganze Welt von Zwecken und 
Werthen, in der wir leben, die einer absoluten Erkenntniss weder fähig 
noch bedürftig sind. 
Auch in einem anderen Punkte ist SEYDEL auf dem ursprünglich ein- 
genommenen Standpunkte stehen geblieben. Seine bekannte Theorie vom 
staatsrechtlichen Staatenbunde bildet auch heute noch die Grundlage seiner 
Anschauungen über die rechtliche Natur des deutschen Reiches und der 
Stellung Bayerns in demselben. Demgemäss hat Bayern durch den Eintritt 
in das Reich in seiner Souveränetät keine Veränderung erfahren. Das 
staatsrechtliche Verhältniss Bayerns zum Reiche wird anhangsweise in dem 
Buche über den Herrscher abgehandelt, allerdings nur in den äussersten 
Umrissen. Consequenterweise müsste aber unter diesem Gesichtspunkte das 
ganze Reichsrecht als ein Theil des bayerischen Staatsrechts erscheinen und 
in einer theoretischen Darstellung desselben ex professo vorgetragen werden.
	        
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