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knüpfend, fördert er hier sowohl, als in seinen ferneren Bemerkungen über
die öffentlichen Rechte in vielen Punkten diese von systematischer und
dogmatischer Vollkommenheit weit entfernte Partie des Staatsrechts. Beson-
ders was er über die zweifelhafte der französischen Rechtssprache entnommene
Kategorie der droits civils sagt, ist höchst beachtenswerth, die Verwechslung
objektiver Aufgaben der Staatsgewalt mit subjektiven Rechten |der Unter-
thanen an manchen Beispielen schlagend nachgewiesen.
Nicht minder interessant ist die zweite Hälfte dieses Abschnittes,
welche den Rechtsunterschieden und Auszeichnungen der Staatsangehörigen,
sowie der Stellung des Adels im Allgemeinen, des standesherrlichen Adels
im Besonderen gewidmet ist. Namentlich sind die feinen Bemerkungen über
das Wesen des Adels nicht nur juristisch zutreffend, sondern zeugen auch
vom tiefen Verständniss des Wesens der modernen staatsbürgerlichen Ge-
sellschaft, welche auch da, wo sie überkommene althistorische Institutionen
in sich aufgenommen hat, dieselben kraft der ihr innewohnenden Gestaltungs-
kraft umgebildet und sich assimilirt hat.
Verhältnissmässig dürftig ist der Abschnitt über die 'Gebietshoheit.
Es ist systematisch nicht möglich, unter dieser Ueberschrift alle mit dem
territorialen Elemente des Staates zusammenhängenden Verhältnisse dar-
zustellen. Das Territorium als dingliche Grundlage des Staates steht eben
im Zusammenhang mit allen staatsrechtlichen Verhältnissen, so gut wie das
personale Element. Eine gesonderte Darstellung der rechtlichen Verhältnisse
des Staatsgebietes ist demgemäss unzweckmässig; in den betreffenden Partien
des Verwaltungsrechts haben sie zur Sprache zu kommen. Es bleiben
daher nur wenige Bemerkungen über die verfassungsmässige Untheilbarkeit
und Unveräusserlichkeit des Staatsgebietes übrig. Selbstverständlich vom
Standpunkt des Verfassers ist es, dem Reiche jede Gebietshoheit abzu-
sprechen, woraus dann unter anderen die Folgerung gezogen wird, dass das
Reich niemals, auch nicht bei Friedensschlüssen, ein Verfügungsrecht über
das Gebiet der Bundesstaaten hat; ebenso selbstverständlich aber, dass alle
diejenigen, welche das Reich für einen Bundesstaat halten, der entgegen-
gesetzten Ansicht sind.
Als ein systematischer Fehler muss es bezeichnet werden, wenn die
Rechtsstellung der Fremden unter die Rubrik der Gebietshoheit gestellt
wird. Mit demselben Rechte könnte die ganze Lehre von allen Rechts-
instituten, die irgend eine Beziehung zum Domicil innerhalb des Staates
haben, die Lehre vom Landtage, von den Behörden u. s. w. hier abgehandelt
werden. Beschränkt man die Lehre vom Staatsgebiet nicht gleich a priori
auf die oben angegebene Weise, so ist nicht abzusehen, warum gerade nur
das Fremdenrecht in so innige Beziehungen zur Gebietshoheit gebracht
werden soll.
Der Inhalt des dritten Buches, welches den zweiten Band ausfüllt, ist
das Verfassungsrecht, welches nach den eigentbümlichen Anschauungen des
Verfassers besteht in den Einschränkungen, welche die Herrschergewalt in
ihrer Ausübung gesetzlich erfährt durch Volksvertretung und Behörden-
organismus. Es sind demnach die Lehren vom Landtage und den Staats-
behörden, welche hier abgehandelt werden.
In Beziehung auf die Rechtsstellung des Landtages steht SEYDEL im
Grossen und Ganzen auf dem Boden der neueren deutschen Theorien, wie