6 —
Kolonialgesellschaft für Südwestafrika näher einzugehen, deren
Statut vom 5. April 1885 durch Allerhöchste Kabinetsordre vom
13. April 1885 2°) genehmigt wurde, indem gleichzeitig die Ge-
sellschaft die Rechte einer juristischen Person nach Massgabe der
Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts erhielt’). Nach
dem Statute hat die Gesellschaft den Zweck, die von F. A. E.
Lüderitz in Südwestafrika erworbenen, unter dem Schutze des
Deutschen Reichs stehenden Ländereien und Rechte käuflich zu
übernehmen und durch andere Erwerbungen zu erweitern, die
Grundbesitzungen und Bergwerksberechtigungen durch Expeditionen
und Untersuchungen zu erforschen, für industrielle und Handels-
unternehmungen, sowie deutsche Ansiedlungen vorzubereiten, ge-
eignete gewerbliche Anlagen aller Art dortselbst zu machen und
zu betreiben oder durch andere betreiben zu lassen, das Privat-
eigenthum zu verwerthen und endlich die Ausübung staatlicher
Hoheitsrechte zu übernehmen, soweit solche der Gesellschaft für
ihr Gebiet übertragen werden. Die Hauptzwecke der Gesellschaft
sind also kaufmännische Ausbeutung und Verwerthung der unter
deutschem Schutze stehenden südwestafrikanischen Gebiete. So-
weit die Gesellschaft Hoheitsrechte von den einheimischen Herr-
schern erwirbt, wird der Zweck des Erwerbs immer der sein,
die kaufmännischen Bestrebungen der Gesellschaft zu unterstützen.
Die Uebertragung des Monopols gewisser öffentlicher Arbeiten
durch den Kapitän von Bethanien ist das beste Beispiel hierfür.
Jedenfalls können aber die unter deutschem Schutze stehenden
Häuptlinge der Gesellschaft nicht mehr Rechte übertragen, als
sie selbst noch haben, also Hoheitsrechte gegenüber der einhei-
mischen Bevölkerung, während ihnen über Europäer keine Hoheits-
rechte mehr zustehen.
Die Ausübung von Hoheitsrechten über Europäer hätte die
südwestafrikanische Gesellschaft nur erwerben können durch einen
kaiserlichen Schutzbrief. Ein solcher ist ihr jedoch nicht zu
Theil geworden. Die Gesellschaft nimmt daher in dem Schutz-
gebiete keine andere Stellung ein als jedes andere grössere kauf-
26) Abgedruckt im Reichsanzeiger.
27) Nicht völlig klargestellt sind die rechtlichen Verhältnisse der Ge-
sellschaft in dem neuerdings in den „Grenzboten“, Jahrg. 45, 2. Quartal,
S, 254—264 erschienenen kleinen Aufsatze: „Die deutschen Schutzgebiete
und ihre Rechtsverhältnisse.“