Das Referendum im schweizerischen Staatsrecht.
Von
Professor Dr. HıLTy in Bern.
II.
Die Einführung des Referendums in das Eidgenössische
Bundesstaatsrecht, welche durch die Artikel 89 und 90 der
jetzt geltenden Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 erfolgte, ist
der Punkt, welcher diese Verfassung am meisten von derjenigen
vom 12. September 1848 unterscheidet, die ihr voranging.
Ohne diesen einen Punkt würde die Bundesrevision von 1874
lediglich die Bedeutung einer Partialrevision haben, wodurch eine
grosse Anzahl von Artikeln der Verfassung gar nicht berührt
wurde und namentlich ihr Grundcharakter, derjenige einer sehr
gemässigten, repräsentativen Demokratie, der gleiche
geblieben wäre.
Mit diesen Artikeln ist eine solche Bezeichnung nicht mehr
möglich und sie befinden sich in der That zuweilen in einem
bemerkbaren Widerspruche mit den stehen gebliebenen Ver-
fassungsbestimmungen.
Diese sogenannten „Referendums-Artikel* lauten wie folgt:
„Art. 89: Für Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse ist
die Zustimmung beider Räthe erforderlich.
Bundesgesetze, sowie allgemein verbindliche Bundes-
beschlüsse, die nicht dringlicher Natur sind, sollen überdies
dem Volke zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden,
wenn es von 30 000 stimmberechtigten Schweizerbürgern, oder
von acht Cantonen verlangt wird.