— 368 —
Art. 90: Die Bundesgesetzgebung wird bezüglich der
Formen und Fristen der Volksabstimmung das Erforderliche
festsetzen.“
Das Bundesgesetz, welches in diesem letzteren Artikel
vorausgesehen ist, wurde in der Ersten auf die Verfassungsannahme
folgenden Sitzung der Eidg. Räthe vorgelegt und, ohne dass
ein Referendumsbegehren dagegen erfolgt wäre, angenommen.
Es datirt vom 17. Juni 1874 und bestimmt des Näheren
folgendes:
1) Zu entscheiden ob ein Bundesbeschluss als nicht „allgemein
verbindlich“ anzusehen, oder als „dringlich“ zu behandeln sei, ist
beides Sache der Bundesversammlung und es soll dieselbe diesen
Entscheid dem betreffenden Beschlusse jedesmal ausdrücklich bei-
fügen. Die Praxis hat sich seither so gestaltet, dass umgekehrt jedem
Bundesgesetze, und jedem Bundesbeschluss, den man als allgemein
verbindlich ansieht *?), am Schlusse eine sogenannte Referendums-
Clausel als letzter Artikel angefügt wird, welcher nun usuell
folgendermassen lautet:
Schlussartikel.e „Der Bundesrath ist beauftragt auf Grund-
lage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Brachmonat
1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und
Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Bundesgesetzes
(Bundesbeschlusses) zu veranstalten und den Beginn der Wirk-
samkeit desselben festzusetzen“. Der Bundesrath publizirt in
Folge dessen den betreffenden Erlass in dem officiellen Bundes-
blatte und stellt auch den Cantonen noch eine Anzahl von be-
sonderen Abdrücken zu. Ist die Referendumsfrist unbenützt ver-
2) Ein Bundesgesetz ist immer allgemein verbindlich. Der Zwischen-
satz in Art. 89 der Bundesverfassung, „die nicht dringlicher Natur sind“,
bezieht sich nicht mit auf die Bundesgesetze zurück, die also niemals dring-
lich erklärt werden können, sondern nur auf die Beschlüsse. Der französische
Text der Verfassung, der viel klarer lautet, als der deutsche, lässt darüber
keinen Zweifel zu. Er sagt: „les lois federales sont soumises & l’adoption ou
au rejet du peuple, si la demande en est faite par 30000 eitoyens actifs ou
par 8 cantons, Il en est de m&me des arretes federaux qui sont d’une portee
generale et qui n’ont pas un caractere d’urgence“. Gleichzeitig ist hier
der deutsche Ausdruck „allgemein verbindlich“ etwas anders wiedergegeben,
ob auch besser, mag zweifelbaft bleiben.