Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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sich nicht um ein Gesetz handelt, wird factisch selten Gebrauch 
gemacht, und es herrscht darüber auch keine constante Praxis °°), 
In der That hatte die Verfassung damit auch nur wichtigste Fälle, 
die keinen Aufschub erleiden können, wie Krieg und Frieden, 
ferner wesentliche Beschlüsse über auswärtige Politik überhaupt, 
dringende Zollmassnahmen, die weder Verzögerung noch lange 
Discussion gestatten, und dergleichen im Auge. 
Ob Staatsverträge mit dem Auslande dem Referendum 
anheimfallen, wenn sie nicht ausdrücklich dringlich erklärt werden, 
oder ob sie schon der Natur der Sache und dem stricten Wortlaut 
der Bundesverfassung gemäss demselben entzogen seien, darüber ist 
ebenfalls keine vollständige Klarheit vorhanden. Richtig ist, dass 
der Artikel 89 der Bundesverfassung sie nicht neben den Bundes- 
gesetzen und Bundesbeschlüssen nennt und dass auch die bisherige 
Uebung und die diplomatische Praxis überhaupt dagegen spricht °°). 
  
68) In verschiedenen Fällen, die vorkamen und ganz gleichartiger Natur 
waren (Ankauf von Waffenplätzen, Ankauf des Inselspitals in Bern zu 
Zwecken der eidgenössischen Administration, Unterstützung der Cantone 
Zürich und Aargau in der Liquidation der sogenannten Nationalbahn), wurde 
die Frage discutirt und bald die Clausel beigefügt, bald auch nicht ohne 
desshalb die Referendumsclausel anzuwenden. Es wurde sogar schon (bei 
der Discussion über die Unterstützung in Sachen der Nationalbahn) behauptet, 
es könne etwas dringlich erklärt werden, was nicht „allgemein verbindlicher 
Natur“ sei und die Dringlichkeitserklärung präjudicire der anderen Frage 
nicht, was wir nicht glauben. Eine grosse Debatte über diesen Gegenstand 
fand im Nationalrath am 20. Dezember 1884 statt. Bei der Gotthardsub- 
vention 1878 hingegen wurde, ebenfalls nach langer Discussion die Referen- 
dums-, nicht die Dringlichkeitsclausel, beigefügt, aber unter weiter unten 
folgenden Verumständungen. 
0) Dagegen nennt der Art. 85 der Bundesverfassung die Staatsverträge 
unter den Gegenständen „die in den Geschäftskreis beider Räthe fallen“. Auch 
die Discussion bei der ersten Revisionsdebatte im Jahre 1882 spricht sich 
negativ aus. Der Führer der demokratischen Partei, der verstorbene Bundes- 
rath SCHERER äusserte sich damals folgendermaassen : „Was wir erstreben, ist 
die Theilnahme des Volkes an der Gesetzgebung, aber nicht dessen Theil- 
nahme an der Regierung! Die Regierung soll über Staatsverträge, 
politische Acte und Finanzfragen souverän entscheiden“. So bedenk- 
lich im Einzelnen diese Ansicht gefunden werden könnte, in Bezug auf 
Staatsverträge lässt sie über die damalige Absicht keinen Zweifel zu. 
Die Gotthardsubvention von 1878 bildet kein Argument dagegen, da
	        
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