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Der Ratificationsbeschluss der Bundesversammlung wird daher in
solchen Fällen weder mit der Referendums-, noch mit der Dring-
lichkeitsclausel versehen. Dagegen fand in der alten Zeit diese
Anschauung keineswegs statt und wurden im Gegentheil gerade
vorzugsweise solche äussere Angelegenheiten, wie oben gezeigt
worden ist, dem Volke zur Abstimmung vorgelegt. Ebenso
würde es nach dem Staatsrecht der Cantone, die das Referendum
dermalen besitzen, im Zweifel nicht ausgeschlossen sein, dass das-
selbe auf ihre Concordate unter sich, die nichts anderes als Staats-
verträge sind, sowohl bei Eingehung derselben als bei Rücktritt
von solchen, Anwendung fände und einzelne neue Referendums-
gesetze (z. B. das oben abgedruckte Graubündnerische, des Oantons
also, in welchem das Institut am längsten und consequentesten
bestanden hat) nennen „Staatsverträge und Concordate“, also auch
Staatsverträge der Oantone mit dem Ausland, soweit solche
nach der Bundesverfassung noch zulässig sind, ganz ausdrücklich
als Gegenstände des dort sogar obligatorischen Referendums. Es
kann auch noch angeführt werden, dass in den Oantonen mit
Landsgemeindeeinrichtung solche Staatsverträge in der Regel
von der Landsgemeinde besprochen und beschlossen werden
müssen 7%). Es könnte also der Fall sehr wohl sich ereignen,
dass ein Concordat mit dem päpstlichen Stuhle oder ein wichtiges
Abkommen über nachbarliche Verhältnisse, Polizei- und Staats-
wirthschaft, wie es die Cantone nach Art. 9 der Bundesverfassung
init auswärtigen Staaten unter Controle des Bundes abschliessen
dürfen, dem cantonalen Referendum unterbreitet werden müsste,
damals nicht blos ein Vertrag, sondern, gleichzeitig mit der Ratification des
Staatsvertrags vom 12. März 1878 über die Reconstruction des Gotthard-
unternehmens mittelst neuer Subsidien der 3 Staaten, ein „Gesetz über Ge-
währung von Bundessubsidien für Alpenbahnen“ vom 22. August 1878 erlassen
wurde, das solche Subsidien auch für andere Alpenbahnen eventuell decre-
tirte und der Bundesrath angewiesen wurde die Ratification des Staatsvertrags
erst auszuwechseln, nachdem dieses Gesetz vom Volk angenommen sein werde,
was am 19. Januar 1879 durch Volksabstimmung geschah. Abgestimmt wurde
nur über das Gesetz, nicht über den Vertrag. Eigenthümlich freilich würde
die Situation geworden sein, wenn das Volk das Gesetz und damit indirect
den von den Räthen bereits ratificirten Vertrag verworfen hätte.
©) Vgl. pag. 247.