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während der ganz gleiche Gegenstand, wenn er im Namen der
Eidgenossenschaft und für alle Cantone derselben verhandelt wird,
ohne Referendum vertragliche Giltigkeit erlangt. Es gestaltet
sich die Sache noch um so auffallender, da nach der neueren
Praxis und in Auslegung des Art. 10 der Bundesverfassung
(wornach der amtliche Verkehr zwischen den Cantonen und aus-
wärtigen Staatsregierungen durch Vermittlung des Bundesrathes
stattfindet) die Eidgenössische Regierung nun mitunter auch
direct, Namens der betheiligten Cantone, solche Verträge für
dieselben abschliesst?'). Es würde zu einem auffallenden Conflicte
des cantonalen Staatsrechtes mit dem vorläufig in der Praxis
geltenden Eidgenössischen und selbst dem Völkerrechte führen,
wenn ein Canton mit obligatorischem Referendum für „Staats-
verträge und Ooncordate“, wie z. B. Graubünden einen solchen
von dem Bundesrathe für ihn vereinbarten Staatsvertrag mit
einer ausländischen Macht noch seinem Referendum unter-
stellen wollte.
Es lässt sich auch theoretisch nicht leugnen, dass in der
Möglichkeit, Staatsverträge jeder Art ohne Referendum ab-
schliessen zu können, verbunden mit der ausdrücklichen Bestim-
mung des Art. 113 der Bundesverfassung, dass solche Verträge
völlig unanfechtbar sind und auch von den obersten Gerichten
des Landes respectirt und angewendet werden müssen, selbst wenn
sie der Verfassung gründlich zuwiderlaufen sollten, eine Gefahr
liegt. Die Wirksamkeit vieler Bundesgesetze könnte durch Staats-
verträge beseitigt, oder es könnten (wie dies wiederholt schon
geschehen ist) Fremden grössere Rechte eingeräumt werden, als
den eigenen Bürgern °?®), ja es würden Verträge denkbar sein,
durch welche die Existenz und Unabhängigkeit des Bundes selber
”1) So z. B. 1884 Namens der Cantone der ehemaligen Basler - Diöcese
mit dem hl. Stuhl. Doch ist auch hierin noch nicht eine ganz feste Praxis
vorhanden.
2) Ein solches Verhältniss bestand s. Z., wie oben gesagt, in Bezug
auf Niederlassung und Rechtsgleichheit zu Gunsten der französischen Israe-
liten und besteht jetzt wieder zu Gunsten zahlreicher Handelsreisender
fremder Staaten, die durch Staatsverträge besser gestellt sind, als die
schweizerischen.