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Wo diese offiziellen Ausschreiben seit langer Zeit im Ge-
brauch sind, wie namentlich in Graubünden, bestehen sie gewöhn-
lich aus eirem historischen Theil, der die Veranlassung zu dem
Gesetze, nebst seinem wesentlichen Zweck, und einem praktischen,
der die Gründe, welche in der gesetzgebenden Versammlung für
und wider geltend gemacht worden sind, mit grosser Ruhe und
Unparteilichkeit auseinandersetzt und dabei die Empfehlung der
Annahme eher durchblicken lässt, als direct ausspricht. Daran
schliesst sich dann ein in Graubünden so genannter „Recapitulations-
punct“, dahingehend, „ob Ihr getreue liebe Mitbürger dem in der
Beilage enthaltenen Gesetze über... . . Eure Zustimmung er-
theilen wollet oder nicht.“ — Ein solches richtig gehaltenes Aus-
öffentlicht, so dass es vorkommen kann, dass über die Stellungnahme des-
selben zu einer Referendumsvorlage durchaus kein sicherer Aufschluss besteht.
In einzelnen Fällen, wie z. B. in dem obeitirten des Schulsecretärs, wo alle
Welt sich aussprach, war einzig der Bundesrath schweigsam und man wusste
niemals bestimmt, welche Meinung mit Mehrheit in dieser obersten Behörde
des Landes vertreten sei. Bei der letzten Volksabstimmung vom 25. Oktober 1885
die Alcoholfrage betreffend (allerdings in diesem Falle in einer Verfassungs-
Revisionsfrage) sah sich der Bundesrath veranlasst eine „erläuternde Ergän-
zung“ der Abstimmungsvorlage zu publiziren. Das ist wenigstens ein
hoffnungsreicher Anfang. Vgl. Polit. Jahrbuch 1886, pag. 513. Der Stände-
rath, der merkwürdigerweise in diesem Puncte unbefangener war, hatte s. Z.
folgenden Beschluss gefasst: „Wenn ein Bundesgesetz oder ein Bundesbeschluss
nach Art. 89 der Bundesverfassung einer Volksabstimmung unterstellt wird,
so soll jeweilen mit dem Gesetz oder Beschluss bei dessen Bekanntmachung
vor der Abstimmung eine offizielle, objectiv, kurz und klar gehaltene Kund-
gebung über die Gründe verbunden werden, welche die Bundesversammlung
zur Annahme des Gesetzes oder Beschlusses bewogen haben. In der Regel
ist der Bundesrath beauftragt, diese Botschaft abzufassen und zu unterzeichnen.
Immerhin bleibt den beiden Räthen unbenommen, bei Berathung eines
Gesetzes ausnahmsweise zu beschliessen, dass ein Ausschuss aus ihrer Mitte
die Botschaft entwerfen soll. In diesen Fällen wählt jeder Rath eine gleiche
Zahl von Delegirten, welche die Botschaft gemeinsam zu entwerfen und
Namens beider Räthe zu unterzeichnen haben. Gegenwärtiger Beschluss
tritt sofort in Wirksamkeit.“ (Der Nationalrath trat aber nicht bei.)
Am 11. Dezember 1885 wurde jedoch auch dort eine erneute Motion
dieser Art mit 24 gegen 16 Stimmen verworfen. Die Verwerfungsanträge
gingen von den Gesandtschaften von Genf, Nidwalden und Uri aus. Der
Vertreter von Nidwalden verlangte eventuell eine „unparteiische“ Redaction
der Botschaft.
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