Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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dort in neuerer Zeit erfuhr und sind die Ansichten der dortigen 
Staatsmänner, mindestens gesagt, sehr getheilt. Dennoch erscheint 
dem flüchtigen Auge des Wanderers durch jene Thäler die Be- 
völkerung des oberen, ehemals regierenden Landestheils, bei 
welcher die alte Institution allein galt, noch heute kräftiger und 
selbstbewusster, als die ehemaligen Unterthanen, und es ist die Miss- 
stimmung wohl zumeist auf den starken klericalen Einfluss zurück- 
zuführen, der sich allerdings dabei mehr geltend machen kann, 
als auf einer blossen Repräsentantenversammlung. 
Von den Cantonen, die in moderner Zeit erst die Volks- 
abstimmung in irgend einer Form angenommen haben, sind zu- 
nächst abzurechnen die Landsgemeinde-Uantone. Dieselbe 
besitzen im Grunde das nämliche System, blos noch vereinfachter, 
indem auf einer einzigen Versammlung, statt in mehreren Kreisen, 
votirt wird. Wer eine solche Landsgemeinde jemals besucht hat 
und noch einen gewissen gesunden historischen Sinn und Freude 
am politischen Leben des Volkes besitzt, wird niemals wünschen 
können, an ihre Stelle eine blosse Repräsentantenversammlung 
treten zu sehen°‘). Die Erfahrungen der übrigen Cantone, die 
in neuerer Zeit zu der Demokratie übergegangen sind, sind, 
wie die Eidgenössischen, von zu kurzer Dauer, als dass sie ernst- 
lich ins Gewicht fallen könnten, selbst wenn sie nachtheilig er- 
scheinen würden. Kaum wird jedoch von irgend Einem dieser 
Cantone mit Grund behauptet werden können, dass er in Folge 
der Einführung des Referendums in wesentlichen Punkten des 
staatlichen Lebens Rückschritte gemacht habe. In dem bevöl- 
kertsten Canton Bern, der das obligatorische Referendum, ohne 
Initiative, seit 1869 besitzt, ist, wie wir es selbst beurtheilen 
können, ein entschieden grösseres Interesse an staatlichen Fragen 
bei der Gesammtbevölkerung vorhanden als in der vorangehenden 
Periode der souveränen Grossen Räthe®). Für Zürich spricht 
%:) In Appenzell a. Rh. soll zwar z. B. einmal wie behauptet wird, das 
siebente obligatorische Schuljahr aus Missverständniss der Vorlage an- 
genommen worden sein. 
%) Wenigstens */s der seither dem Volke vorgelegten Gesetze haben 
Verständniss und Annahme gefunden. Die neueste Verwerfung des Lehrer- 
pensionsgesetzes (24. Oct. 1886) beweist nur, dass das Volk für financielle
	        
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