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sich ein Kenner der dortigen Verhältnisse, Staatsschreiber Stüssı
in einer bemerkenswerthen Schrift „Referendum und Initiative im
Canton Zürich“ 1886 folgendermaassen aus:
„Der Zeitraum von 1869—1886 hat eine Reihe von dem
Wohl des Landes förderlichen Leistungen aufzuweisen und stellt
sich mindestens ebenbürtig neben jede vorhergegangene Periode.
Alle Vorlagen der Repräsentative, welche neuen, zum Heil des
Landes dienenden Schöpfungen riefen, sind vom Volke angenom-
men worden, mochten sie auch noch so grosse Opfer in Aussicht
stellen. Keine Vorlage der Repräsentative, von welcher ent-
schieden eine wesentliche Förderung idealer oder materieller
Interessen zu erwarten gewesen wäre, ist definitiv abgelehnt wor-
den. In den sehr wenigen scheinbar widersprechenden Fällen
hat das Referendum nur den seinem innersten Wesen entsprechen-
den Character bewährt und allzu raschem Vorschreiten, dem die
Masse nicht folgen konnte, etwelche Mässigung auferlegt; es
dauerte jeweilen nicht lange, bis die wichtigsten Positionen dieser
Vorlagen, nun mit Zustimmung des besser belehrten Volkes, wie-
der gewonnen waren.“
Wir haben keinen Grund die Richtigkeit dieses Urtheils
zu bezweifeln und bemerken für Ausländer nur hinzu, dass es
keinen Oanton der Schweiz gibt, in welchem gegen die gedeihliche
Wirksamkeit der demokratischen Aera mehr Zweifel erhoben wor-
den, als gerade diesen. Begründete Bedenken würden nach un-
serem Dafürhalten nur bei St. Gallen vorliegen, welches diese
Institutionen in der Form eines Veto am längsten von allen
Cantonen, ausser Graubünden und Wallis, (seit 1831) besitzt und
erst seit 1875 sich dem facultativen Referendum angeschlossen
hat. Hier allein haben die Vetobewegungen öfter einen etwas
agitatorischen Character gehabt, der aber grossentheils der un-
geeigneten Form des Volksrechtes zugeschrieben werden muss
und andererseits mit der Natur dieses Staatswesens zusammen-
hängt, das erst 1803 aus einer Reihe der heterogensten Bestand-
theile willkürlich zusammengesetzt worden ist. Ueberdiess lassen
Fragen relativ am wenigsten Verständniss hat und alle grossen Ausgaben
mit der Aengstlichkeit des gemeinen Mannes, der auf das beständige Sparen
angewiesen ist, scheut.