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Die Schwierigkeiten dieses Systems liegen zunächst natürlich
in der grösseren oder geringeren Fähigkeit des concreten Volkes,
seine Angelegenheiten in dieser Art selber zu besorgen, bezw. in
der Verschiedenheit der Ansichten über die Möglichkeit und
Nützlichkeit der Demokratie überhaupt. Es sind aber auch tech-
nische Schwierigkeiten vorhanden. Es ist nicht möglich, in einem
grösseren und complizirteren Gemeinwesen alle und jede Gesetze
und noch dazu alle Beschlüsse von allgemeiner Bedeutung einer
obligatorischen Volksabstimmung zu unterwerfen, da würde in der
That die Staatsmaschine leicht zu viel Friction erleiden. Es muss
also eine gewisse Unterscheidung und Ausscheidung stattfinden,
entweder zwischen Gesetzen und Beschlüssen resp. Verordnungen,
was aber stets etwas willkürlich bleibt !9'), da eben diese Begriffe
niemals völlig genügend definirt sein werden. Oder man ver-
sucht eine Aufzählung der Gegenstände des Referendums, die
aber auch nicht ganz vollständig und ausreichend für alle Fälle
sein wird, bezw. dann leicht zu weit geht, wie wir diess oben an
dem Beispiel der Staatsverträge und der Verfassung von Grau-
bünden gezeigt haben !°°).
101) Wir haben schon angeführt, dass in Graubünden die alte Forstgesetz-
gebung vollständig auf „landespolizeilichen Decreten“ beruhte, die nicht zur
Abstimmung ausgeschrieben wurden. Ebenso ist die Beseitigung der Adels-
bezeichnung, die in allen amtlichen Actenstücken (Civilstandsregistern, Proto-
collen, amtlichen Schreiben etc.) ausgeschlossen ist, kein Volksbeschluss,
sondern ein Grossrathsbeschluss vom 25. März 1848.
102) Die Züricher Verfassung hat die folgende Definition des obligato-
rischen Referendums.
B. Volksabstimmung.
Art. 30.
Alljährlich zwei Mal, im Frühjahr und im Herbst findet die Abstim-
mung des Volkes über die gesetzgeberischen Acte des Cantonsrathes statt.
(Referendum.) In dringenden Fällen kann dieser eine ausserordentliche Ab-
stimmung anordnen.
Der Volksabstimmung sind zu unterstellen:
1) Alle Verfassungsänderungen, Gesetze und Concordate;
2) Diejenigen Beschlüsse des Cantonsrathes, welche derselbe nicht end-
gültig zu fassen befugt ist. (s. Art. 31);
3) Schlussnahmen, welche der Cantonsrath von sich aus zur Abstimmung
bringen will.