Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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nun aber Bundesgesetze und sogar etwa noch gewisse Katego- 
rieen von Bundesbeschlüssen schliesslich vom Volke votirt werden, 
so ist für das gesammte Staatsleben entscheidend die Frage, 
welches Volk sie votirt. Greschieht diess durch die Völkerschaften 
der einzelnen Oantone, oder müssen dieselben, wenigstens in ihrer 
Mehrzahl, einem daneben hergehenden allgemeinen schweizerischen 
Volksbeschluss auch beistimmen (so wie es in der Bundesversamm- 
lung der Fall ist), so kann eine Coalition von in der Volkszahl 
ganz untergeordneten Cantonen jedes Bundesgesetz im Wider- 
spruche mit der grossen Volksmehrheit verhindern, was jetzt kaum 
mehr ertragen würde, am wenigsten nachdem dieses dem Bundes- 
staat eigentlich entsprechende System 19%) schon seit 1874 bei der 
Errichtung des facultativen Referendums aufgegeben worden ist. 
Wenn aber sogar alle Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse vom 
sesammten schweizerischen Volk, ohne Rücksicht auf die Can- 
tone, votirt werden, so sind diese letzteren als selbstständige 
Staaten und Völkerschaften virtuell beseitigt und der Einheitsstaat 
ist bald auch in der Anschauung des Volkes, vorhanden. Die 
Vollendung dieses Ueberganges zu dem Einheitsstaate würde dann 
darin liegen — was nicht ausbleiben könnte —, dass die Bundes- 
versammlung (also auch der Ständerath, die Vertretung der Uan- 
tone) durch eine Volksinitiative gezwungen werden könnte, be- 
stimmte Gesetze zu dieser Volksabstimmung vorzubereiten und 
vorzulegen, was jetzt nicht der Fall ist, da keine bundesrechtliche 
Initiative besteht. Damit würde jeder Einfluss der Uantone auf 
105) Bei den Abstimmungen über die Verfassungen findet es in der 
That noch statt. Die amerikanische Constitution sichert die Rechte der 
Einzelstaaten dadurch, dass sie nur mit verstärkten Majoritäten verändert 
werden dürfen (Art. 5 der Verfassung). Der deutsche Bundesstaat sichert 
sogar gewissen Staaten eine bestimmte Stimmenzahl und damit ein Ueber- 
gewicht in dem Einen Factor der Gesetzgebung, dem Bundesrath. In der 
Eidgenössischen Verfassung haben die Cantone für ihren Bestand ausser dem 
sehr theoretischen Art. 3 nicht die geringste andere Sicherheit, als eben 
den Ständerath (in dem jeder Canton klein oder gross gleiche Stimme hat) 
als den Einen Factor der Bundergesetzgebung und die Abstimmung auch der 
Cantone in Verfassungsfragen. Es ist diess das möglichste Minimum, das 
kaum weiter vermindert werden dürfte, wenn man den Bundesstaat bei- 
behalten will.
	        
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