Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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wöhnlich obligatorische Volksabstimmung gelangen. Würde die 
Abstimmung in diesen Fällen nicht obligatorisch sein, sondern 
erst verlangt werden müssen, so wäre es kein besonderer Typus, 
sondern bloss eine eingeschränkte Art des facultativen Referendums. 
Dieses beschränkte Referendum kommt, wo es allein für sich 
besteht, meistens in der Form des sog. Finanzreferendums 
vor, wornach gewisse einmalige oder periodische Ausgaben, die nicht 
zu dem gewöhnlichen Budget gehören, von dem Volke genehmigt 
werden müssen. Diese Einrichtung ist sogar jetzt eine ziemlich be- 
liebte selbst für Cantone geworden, die sie vorher nicht besassen, 
oder die daneben noch das weitgehendste obligatorische Referendum 
besitzen (z. B. Graubünden). Den Anfang hatten damit seiner 
Zeit Wallis 1852, Neuenburg 1858 und Waadt 1861 gemacht. 
Bern hatte 1869 sogar die obligatorische Abstimmung über 
das vierjährige Budget eingeführt, diess jedoch seither wieder 
beseitigt 112). Dieses Finanzreferendum, so beliebt es gegenwärtig 
ist, ist vielleicht die wenigst empfehlenswerthe aller Referendums- 
formen, indem es die Augen des Volkes nur auf diesen Einen 
Punkt des gesammten Staatslebens richtet, der keineswegs der 
wichtigste ist. Ueberdiess fehlt es gerade in diesem Punkte dem 
Volke am ehesten an der nöthigen Einsicht und namentlich 
der Uebersicht über die gesammte Finanzlage, die zur rich- 
tigen Beurtheilung gehört. Es können damit die wichtigsten 
Staatsaufgaben, die mitunter eben wesentlich auf den Nutzen 
kommender Generationen berechnet sind und ihren Vortheil 
nicht sofort zeigen, zu Falle gebracht werden, indem man gegne- 
rischerseits an die geringen Eigenschaften des gemeinen Man- 
nes, natürlich beschränkte Auffassung in Geldsachen, Eigennutz, 
Neid etc. appellirt. Die alte graubündnerische Demokratie bewies 
einen bedeutenden politischen Tact und eine grosse Menschen- 
kenntniss, indem sie gerade diesen Einen Punkt von ihrer Volks- 
112) Das Budget wird nirgends dem Referendum unterworfen, Genf 
und Waadt schliessen diess sogar ausdrücklich aus. Diess wäre eigentlich 
consequenterweise da nicht zu rechtfertigen, wo man über kleinere Summen 
von 10-20 000 Fr. abstimmen lässt. Am weitesten in der Richtung nach 
Vorlage auch der Budgets geht Aargau, das dortige Beispiel ist aber nicht 
sehr ermuthigend zur Nachfolge.
	        
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