Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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lich konnten : solche Vorschläge (Anträge) stets auch aus dem 
Schosse des Volkes erfolgen, doch suchte man solche individuelle 
Anregungen schon frühzeitig dadurch zu beschränken oder zu 
beseitigen, dass sie zuerst bei dem Landrathe eingereicht und 
von demselben geprüft und begutachtet werden mussten. Die 
Urner-Verfassung enthielt und enthält heute noch die weitere, ihr 
allein eigenthümliche, Vorsichtsmaassregel, dass Anträge, welche 
an die Landsgemeinde gebracht werden wollen, von einem „Sieben- 
geschlecht“, d. h. von sieben Männern, die sieben verschiedenen 
Geschlechtern angehören, ausgehen müssen. Diess bildete nament- 
lich früher bei der geringen Anzahl der im Lande ansässigen 
Geschlechter eine sehr wirksame Schranke gegen allzu häufigen 
Gebrauch des Antragsrechts. In Glarus hingegen ist das An- 
tragsrecht zwar sehr frei gestaltet, solche Anträge hingegen, die 
im dreifachen Landrath nur wenige Befürworter finden, kommen 
nicht in das offizielle Memorial, das unter obrigkeitlicher Gut- 
heissung dem Volke vorgelegt wird, sondern bloss in den sogen. 
„Beiwagen“, eine Metapher, die vom Postwesen in das politische 
Leben herübergenommen ist und bereits die levis nota ausdrückt, 
mit der diese unehelichen Kinder der Demokratie in das Leben 
eintreten. (Vgl. pag. 249.) 
In welchem Grade in dem modemen, im Ganzen doch 
repräsentativ eingerichteten, Staate eine solche Initiative noth- 
wendig und erspriesslich sei, dürfte stets sehr verschiedener Beur- 
theilung unterliegen. Bei sehr allgemein als nothwendig oder zweck- 
mässig angesehenen Verbesserungen wird in der Regel das gewöhn- 
liche Petitionsrecht, das überall bestehende Recht der Motions- 
stellung in den repräsentativen Körperschaften, das wenigstens in 
Republiken sehr ausgedehnte Vereins- und Versammlungsrecht, sowie 
die grosse Pressfreiheit und allgemeine Verbreitung der Presse aus- 
an einem Ort zusammen zu bringende Bürgerschaften im Auge hat und diese 
Vertheilung der Gewalt auf verschiedene solcher Versammlungen, die bloss 
in ihren Resulteten zusammen kommen, sich nicht vorstellen kann. Der antike 
Gedanke herrschte, freilich auch zum Theil aus praktisch-politischen Gründen, 
noch bis 1886 in Genf, wo bei gewissen Functionen z. B. Wahl des Regierungs- 
raths auch die gesammte Activbürgerschaft des Staats unter dem historischen 
Namen „conseil göneral“ in der Stadt versammelt wurde. (Vgl. pag. 219.)
	        
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