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reichend erscheinen. Dagegen kann es allerdings wirkliche oder ver-
meintliche Forderungen der Zeit geben, die in den repräsentativen
Körperschaften keinen Anklang finden und zur Volksabstimmung
längere Zeit hindurch nicht gelangen würden, wenn nicht der in
der Initiative liegende Zwang hinzukommt und diese Erwägung,
sowie die Neigung der meisten Menschen, theoretisch ihre Rechte
zu erweitern, auch wenn sie nicht einmal beabsichtigen nachher
davon Gebrauch zu machen, wird den Sieg der Initiative nach
und nach in allen Cantonen und auch in der Eidgenossenschaft
herbeiführen. Ein gewisses Sicherheitsventil gegen Uebertreibungen
liegt dann nur noch darin, dass man die Zahl der Initianten im
Verhältniss zu der Bevölkerung hochstellt, wie diess z. B. in Grau-
bünden der Fall ist, wo sie ungefähr dreimal mehr beträgt, als
in Zürich, bei nominell gleicher Zahl.
Die richtige Verhältnisszahl ist übrigens hier auch noch nicht
gefunden, so wenig als bei dem facultativen Referendum. Alle diese
bisherigen Zahlen sind blosse Experimente auf dem Gebiete
der sehr eigenartigen demokratischen Politik, deren Theorie
und Geschichte noch ihres verständnissvollen Dogmatikers harrt !!”).
4?) Einzelne Verbesserungen an der Maschinerieder Volks-
rechte anbringen zu wollen, halten wir im Ganzen nicht für sehr erspriesslich.
Es handelt sich da eben zumeist um einen Grundsatz: Demokratie oder Parla-
mentarismus. Die Demokratie verdient nach unserer Meinung unzweifelhaft
den Vorzug, sobald sie ein im Ganzen dazu fähiges Volk und ein gewisses
Gegengewicht, nämlich eine mit grosser Autorität ausgestattete Regierung
an der Spitze des Ganzen besitzt. Diese Autorität kann natürlich in der
Republik auf nichts anderem beruhen, als auf dem allgemeinen Vertrauen,
und es sagt ein berühmter Ethiker unserer Zeit mit grossem Recht: persön-
liches Vertrauen sei heutzutage das, was sonst Autorität war. Eine Autorität
im Sinne Srart’s, die nicht zugleich die Majorität im Staate für sich hat,
oder allmählig gewinnen kann, steht (nicht bloss in Republiken) auf sehr
schwachen Füssen. Das sind gar keine Gegensätze mehr, die Welt sucht
zwar allerdings wieder nach Autorität, aber nicht nach einer bloss formalen,
äusserlich gegebenen. Der Fehler der Demokratie ist der, dass sie sehr
grosse Anforderungen an Viele, nicht bloss an Wenige macht und dass sie
der Agitation sehr zugänglich ist. In diesen beiden Punkten muss sie
moderirt werden.
Im Einzelnen theilen wir im Ganzen die Ansicht, die Herr Bundes-
rath Droz vor nicht sehr langer Zeit in zwei Artikeln über die (im Jahre
1884 von der conservativen Partei angeregte) Bundesrevision ausgesprochen