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etwa mittelst einer Petition an eine Behörde geltend machen
darf. Diese inneren Widersprüche lassen sich nur vermeiden,
wenn man überhaupt von dem Gedanken der Volkssouveränität,
oder Souveränität einer einzelnen Person abgeht und die juri-
stische Persönlichkeit des Staates als den Träger der
Souveränität ansieht. Der Staat als solcher, der ja überhaupt
Träger von zahlreichen anderen Rechten sein kann, ist auch der
Träger der Souveränität. Natürlich übt er sie, wie seine ander-
weitigen Rechte, durch Organe aus, und durch die Art dieser
Organe allein unterscheiden sich die verschiedenen Staatsformen,
die Monarchie und die Republik, die absolute Monarchie von der
constitutionellen, die aristokratische Republik von der demokrati-
schen, die Landsgemeindecantone von den mehr oder weniger re-
präsentativ-demokratischen und die einzelnen Formen der Refe-
rendumsinstitution,
Für die Republik wenigstens !?!) ist diess die einzig brauchbare
Theorie von der Souveränität, die nicht zu den Uebertreibungen
der Volksschmeichelei, oder zu blossen Redensarten ohne Inhalt
führt. Aus ihr folgt dann mit völliger Logik die Anschauung,
in welcher eigentlich Jedermann, Freund wie Gegner des Refe-
rendums, einig ist, dass die spezielle Art der Ausübung dieser
Souveränität in einem concreten Staat eine Zweckmässigkeits-
frage sei, die sich nach der Natur, Geschichte, Gewohnheit, bis-
herigen Erziehung des betreffenden Volkes und nach den bisher
gemachten Erfahrungen mit den einzelnen Organisationen dieser
Souveränitätsausübung richte. Darnach wird bemessen werden
müssen, ob man in einem Canton der Schweiz die Landsgemeinde
beibehalten wolle oder nicht 122), ob obligatorisches oder faculta-
191) In der Monarchie allerdings kann dann im Ernste nur noch die
Anschauung Friedrichs des Grossen bestehen bleiben, dass der Fürst der
Erste Diener des Staates sei. Das ist aber praktisch auch bereits so in
jedem vernünftigen Staatswesen und die Theorie wird über kurz oder lang
der Praxis folgen.
1239) So geschieht es auch praktisch. 1848 haben Schwyz und Zug die
Landsgemeinde beseitigt, Wallis hat sein uraltes Referendum fast gänzlich
aufgegeben, aber kein Mensch dachte daran, damit an die „Volkssouveränität“
zu rühren. Dieselbe bleibt nach allgemeiner Ueberzeugung was sie ist und
nicht ist, ganz gleichviel ob das Volk direct über die Gesetze abstimmt,